berliner szenen: Raus aus dem Wartekreisel
Meine Hoffnung war, nur kurz im Wartezimmer sitzen zu müssen. Doch nun zogen die Minuten sich zäh und stickig hin, so, als steckten in ihnen volle Stunden. Die anderen Patienten schienen mit mehr Geduld bewehrt als ich. Ich sah sie der Reihe nach an, erahnte anhand ihrer meine Wartezeit und drehte mich schließlich zum einzigen Fenster im Raum, dem ich bisher den Rücken zugewandt hatte. Ich wollte es öffnen. Ging nicht. Wie unschön!
Während ich mich wieder umdrehte, sah ich aus den Augenwinkeln flüchtig das „Draußen“. Was mich sonst interessiert hätte, nahm ich jetzt interesselos zur Kenntnis. „Ach, der Steglitzer Kreisel“, murmelte ich vor mich hin. Sollte der nicht schon fertig sein, war mein zweiter Gedanke. „Der sollte ja nun schon längst fertig sein“, klinkte sich eine Patientin in meine Gedanken ein. Sie trug ein Hemd in Wunderschönblau, das sich fantastisch vom Weißweiß des Raums abhob, es geradezu entschärfte. Das war mir vorhin, auf meiner Suche nach einem Wartezuckerl im Raum, gar nicht aufgefallen. „Alle Wohnungen schon vor Jahren verkauft. Horrende Preise!“, schnaufte ein Patient und sah auf seine Uhr. „Entkernt, und seither null Baufortschritt. Was das kostet! Allein an Bereitstellungszinsen!“ Mit einem „Aber –“ wies ich vage auf den Lastenaufzug, der am eingerüsteten Gebäude emportrödelte. „Wird wohl nix mehr“, entschied die Schönblaue. „Dachte man beim BER auch“, sagte ich: „Da fuhren doch immer Züge mit Frischluft rein.“ – „Na, die braucht der Käfig hier nicht, da pfeift der Wind durch“, meinte der Patient. – „Ein Frischluftzug wär schon genug. Hier bei uns!“, lachte die Schönblaue. So entkommt man einem Wartekreisel.
Draußen dann, befreit im Freien, sah ich, wie die Sonne begann, den Bau zu durchglitzern. Jetzt schaute ich hin. Felix Primus
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