Bajonetts am Heumarkt

Vor fünf Jahren erschien die erste Ausgabe der taz köln. Zum Einstand erschien ein Reprint der „Neuen Rheinischen Zeitung“. Seither läuft der 38. Versuch einer unabhängigen Kölner Zeitung

VON PASCAL BEUCKER

Knapp ein Jahr lang hatte die Redaktion durchgehalten. Mutig schrieb sie gegen Fürsten und für die Demokratie. Doch dann blieb nichts als die Flucht aus Köln. Sie mussten, wie Redakteur Friedrich Engels feststellte, „unsere Festung übergeben, aber wir zogen ab mit Waffen und Bagage, mit klingendem Spiel und mit der fliegenden Fahne der letzten, roten Nummer“.

Das Redaktionsbüro der „Neuen Rheinischen Zeitung“, die am 19. Mai 1849 das letzte Mal erschien, befand sich auf dem Kölner Heumarkt. Heute erinnert daran nur eine Erinnerungsplakette. Dafür gehörte ein Reprint des Blattes zu den Einstandsgeschenken, über die sich die Kölner Redaktion der taz freuen durfte, als sie im Mai 2000 ihr Büro nur wenige Meter vom Heumarkt entfernt bezog. Und irgendwie passte es: Auch die Revolutionszeitung hatte einst „mit fast gar keinen Geldmitteln angefangen“ (Engels) – und auch für die taz in Köln galt es, der Obrigkeit zu trotzen. In der Domstadt herrschen immer noch feudalistische Verhältnisse, zumindest im Medienbereich: Es regiert der Pressezar Alfred Neven DuMont.

Anders als die taz-Redaktion im Ruhrgebiet war die Kölner taz eine Gründung „von oben“: Die taz-Zentrale hatte sich Ende 1999 zu dem Experiment entschlossen, eine wöchentliche NRW-Beilage mit regionalen Fenstern erscheinen zu lassen. Erfolgsaussichten konnte dieses Projekt nur haben, wenn dabei auch die Millionenstadt des Landes „bespielt“ würde.

Köln war dabei politisch wie journalistisch spannend. Nach dem Sturz des SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Klaus Heugel über ein Insider-Aktiengeschäft war einiges in Bewegung geraten: Nach 43 Jahren regierte erstmals kein Sozialdemokrat in der Domstadt. Bei der OB-Stichwahl im Herbst 1999 verlor die Grüne Anne Lütkes zwar gegen Harry Blum (CDU), landete aber bei 45,2 Prozent. Dann verstarb Blum nach nur 169 Tagen im Amt: Mit der zweiten Nullnummer am 23. März 2000 begann der nächste Wahlkampf: „Was kommt nach Harry?“ lautete die Schlagzeile. Der Aufmacher der ersten Nullnummer befasste sich mit einem Thema, mit dem sich die taz köln – leider – immer noch beschäftigen muss: inhumaner kommunaler Flüchtlingspolitik.

In dieser ersten Ausgabe findet sich übrigens auch erstmalig die Kolumne eines gewissen Autoren, dessen erster Satz lautete: „Mein Name ist Christian Gottschalk.“ Kabarettist Heinrich Pachl folgte mit dem Erstling am 18. Mai. Am 6. Juli komplettierte Wilfried Schmickler das Kolumnistentrio: „Der Kölner – so ein weitverbreitetes und nach meinen Erfahrungen absolut zutreffendes Vorurteil – kommt mit der Pappnase zur Welt, ernährt sich obergärig und hat nur eins im närrischen Sinn: durchzumachen bis morgen früh und ‚bummsfallara‘ zu singen, kurzum: Karneval zu feiern.“

Entsprechend schwer hat es kritischer Journalismus. Der Stadthistoriker Martin Stankowski weiß von mindestens 37 gescheiterten Anläufen für eine unabhängige Kölner Zeitung. Die taz trotzt in Köln seit mehr als fünf Jahren den Widrigkeiten. Um Angriffe auf die Pressefreiheit abzuwehren, lagerten in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ acht Bajonettgewehre. Die einzigen Waffen, über die die taz köln verfügt, sind ihre LeserInnen.