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Archiv-Artikel

Proteste gegen Familiengesetz

MALI Demonstranten lehnen mehr Rechte für Frauen ab. Der Präsident schweigt bislang

NAIROBI taz | Die Demonstranten sind verärgert, manche sind so wütend, dass sie sich fast die Seele aus dem Hals schreien. „Frau bleibt Frau, Mann bleibt Mann!“ lautet einer der Sprechchöre, die an diesem Samstag im Zentrum von Malis Hauptstadt Bamako angestimmt werden. „Mali steht nicht zum Verkauf“, steht auf einem Transparent, „Gegen ein Gesetz, das die Nation spaltet“ auf einem anderen.

Das neue Personen- und Familiengesetz ist umstritten wie kaum ein anderes Vorhaben in den fast 50 Jahren, die der Sahelstaat von Frankreich unabhängig ist. Es schreibt fest, dass Frauen in der Ehe die gleichen Rechte wie Männer besitzen. Bedingungsloser Gehorsam soll der Vergangenheit angehören. Außerdem sollen Frauen ebenso wie uneheliche Kinder erben dürfen. Das Mindestalter für Ehen wird auf 18 festgesetzt und traditionelle Zeremonien sollen für die formale Eheschließung nicht mehr ausreichend sein.

Im muslimischen Mali gehen derlei Freiheiten vielen zu weit. „Präsident Touré darf das Gesetz nicht unterschreiben“, wettert Mahmoud Dicko, Präsident des Hohen islamischen Rates in Mali und Organisator der Proteste. In einem Schreiben drohen Dicko und die Imame im Land all jenen, die das Gesetz unterstützen, mit einem Boykott aller religiösen Zeremonien. „Wer so ein Gesetz macht, der soll nicht mehr muslimisch heiraten und darf selbst nach dem Tod nicht mehr gewürdigt werden“, so Dicko.

So drastischer Widerstand ist erstaunlich, bedenkt man den Rückhalt für das Gesetz im Parlament: Anfang des Monats stimmten 117 Abgeordnete dafür, bei nur 5 Gegenstimmen. Selbst Frauen wehren sich gegen die Aufwertung ihrer Rechte. „Es gibt nur eine Minderheit der Intellektuellen, die dieses Gesetz unterstützen“, sagt Hadja Sapiato Dembele, die Chefin des Dachverbandes der muslimischen Frauengruppen in Mali.

Bei den Protestzügen, die seit einer Woche stattfinden, gehen fast ebenso viel Frauen wie Männer auf die Straße. Dembele begründet das mit ihrer Religiosität. „Wir müssen uns an den Koran halten: Ein Mann beschützt seine Frau, dafür gehorcht die Frau ihrem Ehemann.“ Derweil dringt aus dem Präsidentenpalast nichts als Schweigen. Weder der Präsident noch seine Frau haben sich bisher zu dem Gesetz geäußert. MARC ENGELHARDT