: Die Überforderten
BANZAI! Noch während des wenig ruhmvollen Endes von „Gottschalk Live“ versuchen sich die Macher im Selbstlob. Doch diese Show war kein mutiges Wagnis. Es war Kamikaze
VON DAVID DENK
Kampf klingt anders. „Ich nehme diese Entscheidung der Intendanten mit Bedauern zur Kenntnis“, kommentierte Thomas Gottschalk die absehbare Einstellung von „Gottschalk Live“ wegen anhaltend miserabler Einschaltquoten, „habe aber volles Verständnis dafür“. Von Widerstand keine Spur. In den Worten des 61-Jährigen schwang Erleichterung mit. Das Ende dieser von der ersten Sendung an verkorksten Arbeitsbeziehung mit dem ARD-Vorabend ist für Gottschalk eine Befreiung. Ganz Profi, will er aber nicht vor der letzten Show am 7. Juni hinwerfen. „Jetzt einfach heimgehen? Nein.“
Die letzten Sendungen werden nicht die schlechtesten sein. Denn der Druck ist weg – und der hatte Gottschalk, ausgerechnet ihm, dem großen Live-Entertainer, so sehr zu schaffen gemacht, das „Gottschalk Live“ seit einigen Tagen zwei Stunden vor der Ausstrahlung aufgezeichnet wird. Die nationale Aufgabe der Vorabendrettung ging auch an Gottschalk nicht spurlos vorbei. Sein Scheitern bedeutet fürs Erste die Rückkehr zum ungeliebten alten Programmschema – und für Gottschalk selbst? Nachdem die erste Erleichterung verflogen ist, dürfte für ihn eine harte Zeit beginnen. Er hat versucht, sich nach „Wetten, dass ..?“ nochmal neu zu erfinden. Gebracht hat es ihm nichts – außer Sympathien für diesen Neustart. Am Ende war „Gottschalk Live“ für den Namensgeber ein Rückschritt. Sein Lack hat Kratzer abbekommen.
Während Gottschalk mit seiner Niederlage ringt, die auch eine der ihn bis zuletzt protegierenden WDR-Intendantin Monika Piel ist, feiert sich diese selbst – in der Hoffnung, dass niemand den Braten riecht: Piel dankte Gottschalk, der „mit uns gemeinsam das Wagnis für ein neues Sendekonzept für den Vorabend eingegangen“ ist. Dabei sollte sich Piel eigentlich schämen, genau wie die Produktionsfirma Grundy Light Entertainment um Ute Biernat. Das Totalversagen hochbezahlter Fernsehmacher wäre mal eine Debatte wert – im Gegensatz zur Frage, ob die TV-Dinos à la Gottschalk und Schmidt aussterben. Weder von einem Wagnis kann die Rede sein noch von einem Konzept. Gottschalk zog am 23. Januar in einen Rohbau ein, aus dem weder er noch der im März auf die Baustelle gerufene Redaktionsleiter Markus Peichl ein gemütliches oder wenigstens funktionsfähiges Zuhause zu machen vermochte. Wichtiger als der Innenausbau schien den ARD-Hierarchen zu sein, dass draußen groß Gottschalk dransteht. Das ist kein Wagnis, das ist Kamikaze.
Die Verantwortlichen haben die Strahlkraft des Moderators grotesk überschätzt: Ein Gottschalk allein macht noch keine Sendung. Bei „Wetten, dass ..?“ hatte er eine geniale Formatidee im Rücken, bei „Gottschalk Live“ nur ein paar YouTube-Filmchen.
Warum Gottschalk sich unter diesen Bedingungen überhaupt auf das Projekt „Gottschalk Live“ eingelassen hat, ob auch Selbstüberschätzung im Spiel war, bleibt sein Geheimnis.
Verwunderlich auch, warum er nicht mal lauter auf den Tisch gehauen hat. Das mag intern passiert sein, der Eindruck von außen jedoch war, dass Gottschalk ziemlich viel mit sich machen lässt. Auch in dieser Hinsicht wirkte er längst nicht so monolithisch wie auf der „Wetten, dass ..?“-Bühne. Nie schien er Herr seines Rohbaus zu sein, eher ein Hausmeister in ungewöhnlich schicker Garderobe, ein Befehlsempfänger.
Derzeit verhandelt die ARD mit Gottschalk über weitere Engagements im Abendprogramm. Der Moderator kann eigentlich nur verlieren, denn in der Primetime, womöglich gar am Samstagabend, wird er erst recht ständig an „Wetten, dass ..?“ gemessen werden. Und die Wiederauferstehung der großen Familienshow ist von der ARD nach „Gottschalk Live“ kaum zu erwarten.
Wie schwierig es ist, als ganz Großer seines Fachs an frühere Erfolge anzuknüpfen, zeigt das Beispiel Michael Schumachers. Auch er wollte es nach sieben WM-Titeln noch mal wissen und kehrte 2010 in die Formel 1 zurück. In der aktuellen Tabelle steht Schumacher auf Rang 17.