„Die CDU/CSU hat sich immer gedrückt“

Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul fürchtet Schlimmes: „Ich kenne keine schwarz-gelbe Entwicklungspolitik“

taz: Warum wollen Sie am 18. September wiedergewählt werden?

Heidemarie Wieczorek-Zeul: Weil wir dazu beitragen, die Globalisierung gerecht, ökologisch und sozial zu gestalten. In meiner Arbeit als Ministerin haben wir das Verhältnis zu den Entwicklungsländern grundlegend geändert. Während im „Washington Consensus“ die Ideologie der Deregulierung und Privatisierung vorherrschte, haben wir die Bekämpfung der weltweiten Armut und die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer verankert.

Ein Teil Ihrer Wählerschaft hat eher den Eindruck, dass die SPD die Armut im eigenen Land fördert.

Die Globalisierung setzt die Gesellschaften der sozialen Marktwirtschaft unter den Druck der Kurzfrist-Ökonomie. Wir unternehmen den schwierigen Versuch, notwendige Reformen und die Regulierung der Globalisierung miteinander zu verbinden. Wir wollen zum Beispiel in Europa einheitliche Steuern für Unternehmen durchsetzen, damit die Staaten nicht in einen schädlichen Steuersenkungswettbewerb geraten und auch künftig Bildung und Sozialsysteme noch bezahlen können.

Waren Sie die Speerspitze der Globalisierungskritiker in der Bundesregierung?

Was heißt hier „waren“? Es gibt zwei Arten, mit der Globalisierung umzugehen. Man kann sich ihr unterwerfen – das werden Union und FDP machen. Oder man kann versuchen, sie zu gestalten. Das heißt zum Beispiel, national und international Hedgefonds einer stärkeren Aufsicht zu unterziehen.

Gerade die rot-grüne Regierung hat die risikoreichen Hedgefonds in Deutschland vor kurzer Zeit überhaupt erst zugelassen.

Im Mittelpunkt unseres Gesetzes steht der Schutz für die privaten Anleger. Es geht darum, für alle in Deutschland tätigen Hedgefonds, auch die, die von Steueroasen aus operieren, eine nationale und internationale Berichtspflicht einzuführen.

Die Opposition wirft Ihnen vor, dass im Gegensatz zu Ihren Absichten die Schulden der Entwicklungsländer nicht gesunken, sondern gestiegen sind – zum Beispiel in Tansania.

In Tansania gehen heute doppelt so viele Kinder in die Schule wie früher. Das ist ein großer Erfolg.

Und was ist jetzt mit den Schulden?

Unsere Politik der Entschuldung war erfolgreich. Aber die Strukturen des Welthandels machen die Bemühungen oft zunichte. Man muss zum Beispiel endlich den Agrarexportsubventionen ein Ende machen. Da hat sich die CDU/CSU immer gedrückt.

Das Ausland beschwert sich über die Vielstimmigkeit der deutschen Entwicklungspolitik. Was halten Sie von der Forderung der FDP, das Entwicklungsministerium in das Außenministerium zu integrieren?

Wir werden auf der ganzen Welt um ein eigenständiges Entwicklungsministerium beneidet.

Worin besteht der Unterschied zwischen beidem?

Außenpolitik geht primär von den deutschen Interessen aus. Die haben wir zwar ebenso im Blick. Und doch ist unser Ansatz langfristiger und auch globaler. Für uns sind die Bedürfnisse der Menschen in den Entwicklungsländern zentral – wissend, dass ein konfliktfreies Zusammenleben weltweit auch in unserem eigenen Interesse ist. Wie sonst wäre es zu erklären, dass sich die Bundesregierung vor wenigen Tagen zur Erhöhung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit auf 0,7 Prozent unserer Wirtschaftsleistung verpflichtet hat.

Was erwarten Sie bei einem Wahlsieg von Union und FDP von einer schwarz-gelben Entwicklungspolitik?

Ich kenne keine schwarz-gelbe Entwicklungspolitik.

INTERVIEW: HANNES KOCH