piwik no script img

berliner szenenHacke voll zu Mitte-Preisen

Absolutes Böslingskino Hackesche Höfe, besonders am Wochenende stets gerammelt voll, die Schlange staut sich zurück bis ins turmartige und liftlose Treppenhaus, das Alte und Sieche schon mal von vorneherein ausschließt, trotzdem ist der Andrang riesig, denn es gibt offenbar viel Laufkundschaft, Kinofreunde verabreden sich, um die Umstände wissend, eher nicht in dieser Art Fußgängerzonen- oder Bahnhofskino, die Leute zahlen Eintritt, um sich aufzuwärmen, die Einkäufe kurz abzustellen, in jeder erdenklichen Form körperlich zu erleichtern, zu essen, zu schlafen und vor allem mit ihresgleichen endlich mal in Ruhe zu quatschen, viele dem Benimm nach massiv unter Drogeneinfluss, es ist ein Kommen und Gehen, auch noch nach Filmbeginn, eine Ansammlung pathologischer Nichtkinogänger, dafür gewiss umso mehr Disneylanderprobter, sie wissen nicht, wie der Film heißt, in dem sie sitzen, oder dass sie überhaupt im Kino sind, es interessiert sie auch nicht, die ausgeleierten Sitze foltern, verhöhnen und verderben das Sitzfleisch, das alles für Mitte-Preise, uralte gesellschaftliche und zivilisatorische Standards werden hier mit der Sonarsonde ausgelotet, von Grund auf neu verhandelt und am Ende billig ausverkauft, über dem inadäquat länglichen Multiunterhaltungsraum liegt während des Films ein an- und abschwellender, niemals abreißender Klangteppich aus Knabber-, Fress-, Knurpsel-, Kau-, Schluck- und Knistergeräuschen wie Meeresrauschen, und schließt man die Augen, hat das sogar ein bisschen was von Natur, dazu mehr laute als leise Kommentare, die das kindliche Staunen über den ungewohnten Besuch eines Lichtspieltheaters transportieren, speziell das amerikanische Englisch scheint mit der Kulturtechnik des Flüsterns phonetisch nicht vereinbar zu sein. Sad. Uli Hannemann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen