: Der große Marktplatz des Jazz
MUSIK An diesem Wochenende findet in Bremen schon zum siebten Mal die Messe „Jazzahead!“ statt. Bremen hat sich mittlerweile als Treffpunkt der Szene etabliert
VON WILFRIED HIPPEN
Einmal wurde tatsächlich „Olé“ aus dem Publikum gerufen, und es war schwer auszumachen, ob das nun dem plattesten Klischee oder authentischer iberischer Begeisterung geschuldet war. Am Donnerstagabend begann die diesjährige Messe „Jazzahead“ im Bremer Kulturzentrum Schlachthof mit einer „spanischen Nacht“, und dort spielten neben zwei Flamenco-orientierten Bands auch wilde Jugendliche aus Barcelona, die sich unter dem nur angemessenen Namen Filthy Habits an den Stücken und Attitüden von Frank Zappa versuchten. Noch verwegener und abgedrehter war aber der Auftritt des Quartets von José Luis Guitierrez. Der Saxophonist nutzte zwar die Stilmittel der iberischen Musiktradition, improvisierte darüber aber so frei und abenteuerlustig, dass er schon mit seiner schieren Energie das Publikum begeisterte. Er ging immer an die klanglichen Grenzen seiner Saxophone, Flöten und verschiedenen anderen Klangkörper und traf sich dabei kongenial mit Marco Niemietz, der sein Schlagzeug mit den seltsamsten Techniken bespielte, es zum Teil mit Plastikspielzeug bewarf und auf einem Luftballon quietschte.
Es war ein abwechslungsreicher, sehr energiegeladener und unterhaltsamer Auftakt der inzwischen siebten Jazzahead. Nach der Türkei im letzten Jahr ist diesmal Spanien das Partnerland der Jazzmesse, weshalb das Hauptkonzert gestern Abend auch von dem Gitarristen Tomatito in der Glocke gegeben wurde. Schon in den letzten Jahren lockte die Jazzahead nicht mehr mit großen Namen wie Joe Zawinul und John McLaughlin, sondern setzt darauf, dass das angereiste Fachpublikum neue Talente entdecken will. Und die Rechnung geht offensichtlich auf. In diesem Jahr haben über 500 Aussteller ihre Stände in den Hallen des Bremer Messezentrums aufgebaut, das bedeutet eine Zuwachsrate von etwa 35 Prozent. Inzwischen hat sich Bremen als der Treffpunkt der deutschen und europäischen Jazzbranche etabliert, und obwohl ständig über das immer älter und zwangsläufig kleiner werdende Publikum geklagt wird, scheinen die Geschäfte zumindest in Bremen gutzugehen. Und die Organisatoren haben gemerkt, dass es nicht reicht, eine Veranstaltung nur für die anreisenden Manager, Musiker, Publizisten, Instrumentenbauer und Label-Vertreter zu machen. Die kurzen Auftritte von deutschen und europäischen Musikern und Formationen, die am Freitag und Samstag im Saal des Messezentrums stattfinden, sind eher für die Fachbesucher gedacht. Dafür herrscht abends im Schlachthof echte Konzertatmosphäre. Heute Abend werden im zweiten Teil des „European Jazz Meetings“ nacheinander in jeweils 45 Minuten langen Sets sechs Formationen auftreten, darunter die norwegische Sängerin Solveig Slettahjell, die mit dem Pianisten Morten Qvenild ein Programm mit Coverversionen vorstellt, deren Bandbreite von Tom Waits und Cindy Lauper bis zu Abba reicht.
Doch wirklich der Stadt gegenüber geöffnet hat sich die Messe seit dem letzten Jahr mit der Clubnacht. In den verschiedensten Orten der Stadt finden heute Konzerte statt. Schon um 16 Uhr kann man etwa auf dem Kunst- und Kulturschiff MS „Stubnitz“ die Band Stefan Klaus‘ Klangmodul hören und neben den üblichen Spielstätten wie dem Moments, der Schwankhalle, dem Kito und dem Sendesaal gibt es auch Auftritte in der Habenhauser Simon-Petrus-Kirche, der Zollkantine am Hansator und dem Kasch in Achim. Ein krönender Abschluss verspricht dabei ein Auftritt der Samuel Jon Samuelsson Big Band aus Island zu werden. Im Foyer des Musical Theaters spielt sie bis 1.30 Uhr in der Nacht eine energiegeladene und originelle Mischung aus Jazz, Funk, Afrobeat. Da passt das „Olé“ dann wohl eher nicht.
■ www.jazzahead.de