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Archiv-Artikel

Glamour, Baby!

MODE Kopftuch und Stilettos: Türkisch-arabische Frauenmagazine propagieren Mix aus traditioneller und westlicher Mode – und treffen damit einen Nerv

Die Queen bestaunte die marzipanfarbenen, 14 Zentimeter hohen Ankle Boots der Ehefrau des türkischen Staats- präsidenten und deren Seidenkostüm

VON MARCEL MALACHOWSKI

Auf den Fashion Weeks von Djakarta und Dubai gehört sie schon zum festen Bestandteil: glamouröse Kopftuchmode. Und demnächst kommt der Hidschab (Arabisch für Vorhang) dank Yassmin Mohsen, ägyptisches Hidschab-Model, TV-Moderatorin und Designerin, auch auf die europäischen Laufstege. In der Türkei schließlich erfreut sich das türkische Magazin Ala („Erhabenheit“) wachsender Beliebtheit: Seit einem Jahr erscheint es, auf Facebook wurde es 120.000-mal weiterempfohlen, und auch in Deutschland ist es zu kaufen. Die junge Redaktion setzt auf einen Stilmix aus Urban Fashion, religiösem Touch und Eleganz.

„Der Fantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt, somit können auch gewagtere und ausgefallenere Modekreationen mit durchaus provokativen Charakter entstehen“, berichtet Ayse Kilic, Jungdesignerin bei Ala. Mit einer Ausbildung und einem deutschen Bachelorabschluss repräsentiert Kilic die Zielgruppe: berufstätig, weltgewandt, aber religiös – und stolz darauf. Ala konnte seine Startauflage von zunächst 30.000 Stück zuletzt erheblich steigern: „Modischer Chic und Glaube schließen sich jetzt nicht mehr aus“, meint Kilic. „Das Wichtigste aber ist die Islamkompatibilität: Das Kopftuch steht im Mittelpunkt und ist Bedingung.“

Rokoko und HipHop

Einigen hysterischen Kritikern in der Türkei – der Vorwurf lautete wahlweise „zu viel“ oder „zu wenig Religion“ – setzt Ala die klassische Eleganz und moderne Ästhetik etwa eines Yves Saint Laurent der 80er entgegen. Der Hidschab wirkt hier als durchaus harmonisches Element detailliert durchdachter Kompositionen. Der Übergang zwischen westlicher und östlicher Mode sei fließend, erläutert Kilic. „Dabei stellt das Kopftuch überhaupt kein Hindernis dar – im Gegenteil: Es ist religiös und modisch zugleich.“

Der Farbenreichtum, die Vielfalt der Accessoires und der Materialmix gehen in der Hidschab-Mode weit über die dagegen furchtbar uninspiriert erscheinende des Westens hinaus: Islamische Frauen balancieren zwischen Rokoko und HipHop, und sie tun das in engen Ledermänteln und Pelzen oder goldenen Rüschenblusen. Die steilen Skyscraper-Absätze der High Heels in den Fotostrecken von Ala scheinen in den Himmel wachsen zu wollen.

Die First Ladys der Türkei waren die Trendsetterinnen: Bekannt sind die Fotos, auf denen die Queen im Buckingham Palace die Plateaus der marzipanfarbenen vierzehn Zentimeter hohen Ankle Boots von Hayrünnisa Gül, die Ehefrau des türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül, und ihr verhüllendes Seidenkostüm bestaunte.

Okzident und Orient kombiniert man auch im ägyptischen Modemagazin Hejab. Es erscheint seit 2004, seit Kurzem sogar monatlich. Im Fotostudio in der Kairoer Redaktion arrangiert man für die großzügigen Modestrecken leuchtend türkise Spitzenblusen mit ornamentalen, halsfreien Maghreb-Hidschabs und breiten Gürteln. Mit auffälligem Make-up, Jeans, Stiefeln und langen Fingernägeln scheint man auch hier kein Problem zu haben. Arab-Girls werden im städtischen Casual-Look oder in goldbestickten Abajas (ein mantelartiges Übergewand) inszeniert, entwaffnend reserviert vor der Kulisse der Kairoer Altstadt.

Die Blusen, High Heels und Abajas aus den Modestrecken der Magazine bestellt die Hidschabista online. Viele der Abonnentinnen leben in Amerika, Australien und in Europa, berichtet Geschäftsführer Ahmed, der der Zeitung seinen Nachnamen nicht nennen will. Die meisten, nämlich 54 Prozent, verortet er in den USA. Ahmed gründete das Business vor acht Jahren – auf die Idee seiner beiden Töchter hin, wie er erzählt. Hidschab-Fashion sei weltweit ein riesiger Wachstumsmarkt. Rosafarbene und bunt bestickte Dschilbab-Kaftane etwa, die frau in Dubai als reich verzierte Abendgarderobe trägt. Die sanft und geschmeidig fallende schwarze Wegdan-Abaja mit Schmetterlingsflügeln in Kombination mit langen Seidenhandschuhen, wie man sie aus Saudi-Arabien kennt. Oder Piratentuch ähnlich gebundene Hidschabs mit Schleifchen. Der große Trend aber, so Ahmed, gehe zu femininer Hidschab-Mode, die vor allem bei jungen Musliminnen beliebt sei: islamisch, stylish – und mit viel Bling-Bling.

Leitfarbe Pink

Das Paradebeispiel dafür sind seit Jahren Malaysia und Indonesien. Dort hat sich nicht nur eine vielfältige und kosmopolitische Designerszene rund um das Geschäft mit dem Hidschab entwickelt: das asiatisch-farbenfrohe und locker getragene Kopftuch (Tudung) ist Teil der Popkultur. Im gemischt-kulturellen Malaysia gehören die fabulös aufgemachten Magazine Dara und Nur schon seit zehn Jahren zu den medialen Topsellern: Ihre Auflage beträgt jeweils über 100.000 Exemplare.

Dara ist für das Auge farblich und stilistisch eine Explosion der Sinne: Leuchtende Überschriften, Pink als Leitfarbe, die Models posieren in taillierten Satin-Overalls in Fruchtgelb. Während sich die poppige Bonbon-Dara laut Verlag an junge Mädchen ab 15 richtet, soll Nur die „dynamische Frau“ ab 25 und ihren „anspruchsvollen Lebensstil“ abdecken. In Nur präsentiert man Businesskostüme mit Krawatte und glitzernde Abendgarderobe.

Der Hidschab wird zur Quelle der Inspiration: Gerade durch die extravagante Präsentation wird er umso mehr hervorgehoben. „Die Art und Weise, wie man ihn trägt, finde ich wichtig“, meint Ayse Kilic. Der „skinny style“ – westliche, eng anliegende Mode – werde in Zukunft islamische Mode dominieren, sagt Ahmed. Ala, Hejab, Dara und Nur zeigen es: Junge Musliminnen tragen selbstbewusst „Heels und Hidschab“ (Ala-Herausgeber Volkan Atay), sie sind religiös – und dabei dem Westen zugewandt.