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Archiv-Artikel

Herero-Führer klagt Dialog mit Berlin ein

Chief Riruako kritisiert in einer Rede mangelnde Kooperation nach Entschuldigung für Völkermord in Namibia

OKAKARARA taz ■ Der traditionelle Führer der Herero in Namibia, Paramount Chief Kuaima Riruako, hat die Bundesregierung scharf kritisiert. In den zehn Monaten nach der Entschuldigungsrede von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul für den Völkermord vor 100 Jahren habe der Dialog mit den Herero noch immer nicht begonnen. Seit sich die Ministerin im Namen der deutschen Regierung entschuldigte und einen Dialog vorgeschlagen habe, sei nichts geschehen, erklärte Riruako am Freitagnachmittag in einer Rede bei der feierlichen Eröffnung eines neuen Ausstellungsgebäudes in der Kleinstadt Okakarara. Er äußerte die Ansicht, frühere Dialogankündigungen könnten eine bloße öffentlichkeitswirksame Übung gewesen sein.

Heftige Kritik übte der Herero-Führer daran, dass über den Betrag von 20 Millionen Euro, den Ministerin Wieczorek-Zeul am 24. Mai erstmals als Betrag für ein Entwicklungs- und Versöhnungsprogramm in Namibia für einen Zeitraum von zehn Jahren genannt hatte, nicht zuvor mit den Opfern beraten worden sei. Riruako sagte, er sei sicher, dass sich die deutsche Regierung anders verhalten hätte, „wenn die Menschen, die während des Krieges von 1904–1908 getötet wurden, Weiße gewesen wären“. Er erinnerte daran, dass die deutsche Wiedergutmachung für die Verbrechen an den Juden in jahrelangen Verhandlungen mit Israel vereinbart worden sei.

Mit deutlichen Worten kritisierte der Herero-Führer auch, dass die Bundesregierung bestimmen wolle, wer auf namibischer Seite an dem vorgeschlagenen Dialog teilnehmen solle. „Das ist nicht Ihre Angelegenheit, Sie sollten sich da besser heraushalten“, erklärte Riruako. Nötig sei es, „ohne jede weitere Verzögerung“ eine Vereinbarung über Datum, Zeitraum und Ort der ersten offiziellen Verhandlungen zu treffen. Für die namibische Regierung hob der Minister ohne Geschäftsbereich und gleichzeitige Generalsekretär der Regierungspartei Swapo, Ngatirituke Tjiriange, hervor, dass die deutsche und die namibische Regierung in enger Zusammenarbeit mit anderen Betroffenen, „insbesondere mit Vertretern jener Bevölkerungsgruppen, gegen die sich der koloniale Vernichtungskrieg richtete“, verhandeln sollten.

Das neue Ausstellungsgebäude, das mit deutschen Geldern auf dem Gelände des Kulturzentrum der Gemeinde errichtet wurde, wurde mit einer Fotoausstellung über die große Gedenkfeier zum 100. Jahrestag der Schlacht am Waterberg eröffnet, die im vergangenen August stattfand.

Nach Informationen der taz strebt die Bundesregierung Verhandlungen über das geplante Entwicklungs- und Versöhnungsprogramm für Juli oder August an. Sie sollen auf deutscher Seite vom Bremer Bürgermeister Henning Scherf geleitet werden. Auf der namibischen Seite sollen neben der Regierung nicht nur Chief Riruako und andere Herero-Vertreter, sondern darüber hinaus auch Sprecher der Nama und Damara sowie der namibischen Zivilgesellschaft beteiligt werden.

Am Rande der Eröffnungsfeier in Okakarara wurde deutlich, dass es unter den Herero weiterhin starke Spannungen gibt. Eine für Sonnabend in Okakarara geplante öffentliche Versammlung mit Riruako, der gleichzeitig Führer und Parlamentsabgeordneter der National Unity Demokratic Organisation (Nudo) ist, wurde von der zweitgrößten Herero-dominierten Partei, der Demokratischen Turnhallen-Allianz (DTA), boykottiert. Allerdings nahm der wichtige lokale Häuptling David Kambazembi (Swapo) an ihr teil.

ROLF-HENNING HINTZE