: Vom Allgäu bis zum Hindukusch
Schwarz-Gelb plant keine Abkehr von der rot-grünen Politik der Auslandseinsätze. Allerdings soll die Armee auch innerhalb Deutschlands aktiv werden
AUS BERLIN ULRIKE WINKELMANN
Die SPD will Deutschland bislang vornehmlich am Hindukusch verteidigen – die Union lieber auch in Hindelang.
Als Ende 2002 die Deutsche Bundestag zustimmte, die Bundeswehr für weitere zwölf Monate in Afghanistan zu lassen, sagte der Verteidigungsminister Peter Struck (SPD): „Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Man muss nun das Örtchen Bad Hindelang im Allgäu nicht kennen, um den verteidigungspolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Christian Schmidt (CSU), zu verstehen, der kürzlich sagte: „Zur Verteidigung gehört Hindelang genauso wie der Hindukusch.“
Schmidt umriss damit, wie nach einem möglichen Regierungswechsel im September eine unionsgeführte Regierung die Verteidigungspolitik aufzäumen könnte. Eine weiterhin als Wehrpflicht-Truppe betriebene Bundeswehr wird die Ära der Anti-Terror-Kriege nicht nur in aller Welt bewältigen, sondern müsste demnach auch „im Innern“ wirken. Nicht zuletzt würde die Bundeswehr als Heimatschutz-Truppe auch gesellschaftlich aufgewertet – nach Unions-Vorstellungen jedenfalls.
Wobei sowohl CDU als auch CSU, die mit Michael Glos einen launig-zuspitzungsfreudigen Minister stellen könnte, den alten Vaterlandsverrätervorwurf gegen die SPD nur mit Mühe in Stellung bringen werden. „Die Grundzüge der Bundeswehrreform, die Struck gemacht hat, sind ja nicht falsch“, gesteht der Unions-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble sogar öffentlich zu.
Auch ein Unions-Verteidigungsminister wird den Umbau der Bundeswehr zu einer international einsatzfähigen Multifunktionswehr fortsetzen, die technisch hochgerüstet, gut ausgebildet und mit jeglichem Bündnispartner kompatibel ist. Dies alles darf kein Geld kosten oder jedenfalls kaum mehr. Verteidigung ist nach Renten, Zinsen, Arbeitsmarkt mit 28 Milliarden Euro (2005) der viertgrößte Ausgabenposten des Bundes: Die Union wird ihn nicht hochrutschen lassen.
Auch CDU und CSU werden sich überlegen müssen, wie jeder zusätzliche Euro nicht als Bürokratie-Ausbau endet, sondern als Reform-Investition. Sie werden die Schließung von rund 100 der insgesamt 500 Standorte in der Republik gegen die bitteren Klagen der betroffenen Kommunen vertreten müssen. Und auch die Union wird in eigenen Reihen kein schnelles Ja zu einem neuen Kriegseinsatz bekommen.
Immerhin aber hätte die Union mit der FDP einen verteidigungspolitisch zahmen Koalitionspartner. Gegen eine Heimatschutztruppe als „Nationalgarde“ haben die Liberalen nichts einzuwenden – solange sich deren Einsatz auf den Begriff „Zusammenarbeit“ mit den anderen Sicherheitsbehörden bringen lässt. „Harte Debatten wird es nur geben, wenn jemand die Bundeswehr zum Hilfspolizisten machen will“, um von der Unterfinanzierung eigener Polizeikräfte abzulenken, erklärt der FDP-Verteidigungspolitiker Günther Nolting.
Zwar vertreten die Liberalen das Ende der Wehrpflicht. Doch Nolting lässt durchblicken, dass dies kein echtes Streitthema ist. Eine mögliche Kompromisslinie sei „so etwas Ähnliches“ wie das „dänische Modell“, sagte Nolting gestern zur taz. Demnach könnte ein geringer Prozentsatz der Truppe aus „Kurzzeitdienern“ bestehen. Dadurch bestünde die Wehrpflicht nur formell im Rahmen einer Berufsarmee fort.
Weniger der kleine Koalitionspartner als die großen Bündnispartner werden daher die Union auf Widersprüche stoßen. „Angela Merkel hat bislang keine Antwort darauf, wo sie Deutschland zwischen Europa und Nato verortet“, sagt der Berliner Verteidigungsexperte Otfried Nassauer. Unions-Außenpolitiker wie Karl Lamers wollen die Idee der europäischen Armee eines „Kerneuropas“ fortentwickeln. Die Unions-Kanzlerkandidatin Merkel dagegen hat bislang immer große Anhänglichkeit zur USA und damit zur Nato bewiesen.
So lautet das Unions-Problem weniger „Hindukusch oder Hindelang“ als „Brüssel oder Washington“. Nassauer fragt zudem: „Wie will Merkel dem Bush klar machen, dass die Türkei keinesfalls in die EU darf?“