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■ Die Ausbildung Deutschland 2010, R: Dirk Lütter, D: Joseph K. Bundschuh, Anke Retzlaff
Während es kaum Dok-Filme gibt, die sich mit den Problemen Auszubildender in ihren Betrieben beschäftigen, hat Lütter mit „Die Ausbildung“ einen beklemmend real inszenierten Spielfilm gedreht. Der spielt in einer fiktiven Firma für Kältetechnik, im Callcenter der Kundenbetreuung. Dass hier die Arbeitsleistung zählt und nicht die Person selbst, wird schon durch die unwirtliche Einrichtung visualisiert – alles ist grau, zweckmäßig, funktional, kontrollierbar. Die Büroarchitektur wird durch die Kameraeinstellungen beklemmend einengend, die Menschen laufen zwischen Glas, Stahl und Beton vom Schreibtisch zur Kantine zurück und Tschüss und raus.
Die erste Einstellung zeigt das Gesicht eines etwa 20-jährigen. Die Augen blicken wach, die Mimik ist kontrolliert, zurückgenommen. Ebenso sein ganzes Outfit.Der Auszubildende Jan sitzt wartend am Besprechungstisch, im Hintergrund ist ein Anzugträger im Bild, der noch etwas an seinem Schreibtisch erledigt. Sobald er kommt, beginnt er das Gespräch. Ohne viel Wort dürfte jeder, jedem die betriebliche Hierarchie klar sein. Er ist hier der Chef. Jan blickt unsicher zu seiner Teamleiterin. Bloß nichts falsches sagen. Für Jan geht es um viel. Er will nach der Lehre übernommen werden von seinem Ausbildungsbetrieb. Der Chef heißt Tobias, alle reden sich hier mit ihren Vornamen und Du an. Dazu passt die wohlbedachte, scheinbar verständnisvolle Ansprache durch den Chef, durch die Jan aber dazu gedrängt wird, in Vorleistung zu gehen, möglichst viel von sich preiszugeben, eigenen Schwächen offenzulegen. Sich kleinzumachen: „Und wo siehst Du Deine Entwicklungsfelder?“ Was für ein Euphemismus. Nun sag schon, welchen Arbeitsanforderungen du noch nicht genügst. Professionelle Personalführung, manipulativ, übergriffig.
Später wird Tobias, der Chef, Jan noch einmal zu sich rufen. Er mache sich Sorgen um die Teamleiterin – Jan hätte doch einen guten Draht zu ihr. Sein Team würde für vergleichbare Arbeiten länger brauchen als andere Teams – wenn das so bleibe, könne Jan nicht übernommen werden nach der Lehre. Und um Susanne, der Teamleiterin zu helfen, müsse er einfach genauer wissen, was mit ihr los sei. Jan zögert erst. Beginnt dann, seine Teamleiterin auszuforschen. Ohne sich im Klaren zu sein, was für Konsequenzen das für sie haben kann.
Obwohl es sogar einen Betriebsrat gibt, ja, seine Mutter dort aktiv ist, versucht er alleine einen Weg zu finden. „Die Ausbildung“ ist ein Coming-of-Age-Film, ein Sich-orientieren, seine Rolle finden in der Welt. In den undemokratischen, profitorientierten Strukturen der kapitalistischen Arbeitswelt. In „Die Ausbildung“ schließt Jan nicht nur seine Lehre ab, sondern lernt auch etwas darüber, sich zu verkaufen, verkaufen zu müssen in der Welt der Arbeit. Gaston Kirsche
Donnerstag 18:00 im Cinema, Bremen, Samstag 18:00 im Kino im Künstlerhaus, Hannover