Es heißt „den“ Krug

KURRENTSCHRIFT Ein Nachtrag zur Plagiatsdebatte über Heinrich von Kleists Stück „Der zerbrochne Krug“

Über den Fall des Arbeitsrechtlers Volker Rieble, der dem Germanisten Bernd Hamacher in der FAZ ein „Editionsplagiat“ der Brandenburger Kleist-Ausgabe (BKA) unterstellte, wurde an dieser Stelle bereits berichtet (taz vom 19. 4.). Als Bebilderung gab es eine strittige Stelle aus der Faksimileausgabe der Kleist-Handschrift des „Zerbrochnen Krugs“ aus dem Jahr 1941 zu sehen. Die Frage: Was sagt Eve? Der Krug oder den Krug? Hamacher schreibt „den“, die BKA „der“ – anders als von Rieble nahegelegt, gibt es also durchaus Abweichungen, die gegen ein Plagiat sprechen. Aber welche Ausgabe hat nun recht? Ein taz-Leser meldete sich und zog den Bund für deutsche Schrift und Sprache e. V. hinzu. Für den ist die Sache klar. Kleists Handschrift sei eine gut leserliche Kurrentschrift, so der Vorsitzende Hanno Blohm, problemlos sei die fragliche Stelle zu entziffern: „den Krug“. Blohm gegenüber der taz: „Darüber lässt sich nicht streiten.“

Über den Bund ließe sich das schon. Er operiert mit der fragwürdigen Annahme einer „Überfremdung“ der deutschen Sprache. Aber was die Schriftkenntnisse angeht, scheint er kompetent zu sein.

Also den Krug. Eine Spitzfindigkeit? Vielleicht. Doch sie weist auf einen relevanten Punkt in dieser Plagiatsdebatte. Die BKA-Herausgeber Roland Reuß und Peter Staengle haben aufwendige Arbeit an der Originalhandschrift geleistet, Hamacher hat seiner Ausgabe das Faksimile von 1941 zugrunde gelegt. Das muss nur auf den ersten Blick ein Manko sein, denn der Zustand des Originals verschlechtert sich zusehends. Schon der Kleist-Forscher Hans Zeller hat in Bezug auf die Reproduktion der Handschrift in der BKA von 1995 auf Blattbeschädigung und Textverlust im Vergleich zu dem Faksimile hingewiesen. Weil manche Stellen dort mittlerweile besser zu erkennen sind, müsse man, sind sich Editionsphilologen einig, Faksimiles hinzuziehen.

Ein Indiz mehr, dass Hamacher die Leistung der BKA nicht einfach wiederholt, sondern ergänzt hat, dass beide Ausgaben nicht in Konkurrenz zueinander, sondern komplementär zu sehen sind. LAVINIA MEIER-EWERT