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Archiv-Artikel

Die Gurken des Abends

Feinsäuerlicher Abgang: Das Sommerfest der Hamburger Bürgerschaft konnte Polit-Prominenz nicht lange fesseln

Bier- und redselig stehen die B-Sternchen der Hamburger Politik um Stehtische im Innenhof des Rathauses, trinken 2004er Riesling Spätlese in rauen Mengen, die Flasche für 9,40 Euro, sinnieren über berufliche Aussichten der Bildungssenatorin Dinges-Dierig, Studiengebühren und Frau Bundeskanzlerin. Sie schwadronieren über Weltwirtschafts- und Hafenwachstum und feiern sich und den Alkohol. Die meisten Promis – Ole von Beust, die Senatsriege und so weiter – sind schon lange gegangen. Tatort Parlamentarisches Sommerfest – ein Politzirkus der Extraklasse.

Zwischen Bierstand und Stehtisch, zwischen Herrn Abgeordneten und Frau Pressesprecherin schieben sich unaufhaltsam zwei übergroße Kühne-Essiggurken aus Plüsch hindurch. „Ein bisschen wie ein Maskottchen eines Freizeitparks“ habe sie sich gefühlt, berichtet Anna Wottawah, die in einer der beiden Gurken steckte. „Als Gurke bist du halt was, ne?“, ergänzt ihr Freund, das zweite Kürbisgewächs, Sebastian Kleindienst.

Skurril wirkten sie, die Reaktionen der Gäste: Manche versuchen zu ignorieren, andere necken die Plüschpflanzen, ein Japaner lässt sich mit Gurke fotografieren. Man werde ständig gepiesackt, vor allem am Anfang, „wenn die Leute sich noch nicht an einen gewöhnt haben“, klagt Wottawah ihr Leid als Gurke. In den Bauch gepiekt zu werden sei an der Tagesordnung – doch hin und wieder komme es auch zu schweren Übergriffen ernährungstechnischer Art: Ein Teilnehmer des vorgestrigen Politschaulaufens biss einer der beiden Cucumis sativus gar in den Bürzel. „Man wird schon anders behandelt“, kommentiert die Schülerin im grünen Pelz. Einschlägige Erfahrung haben die beiden – so waren sie Plüsch-Gurken schon beim Hamburger Unternehmerball und manch anderer Veranstaltung. Zehn Euro zahle Kühne, Hanseatisches Familienunternehmen seit 1722 und Produzent von Essig, Senf und Gurken, die Stunde – „manchmal auch etwas mehr“ – für den Job als frugales Fusselmonster und möchte sich damit als „Premiummarke“ präsentieren.

Viele der Anwesenden, denen die Bürgerschaft an diesem verregneten Abend mehr gilt als das sonstige Jahr hindurch, seien misstrauisch geworden, wenn sich eine Gurke länger in ihrer Nähe aufhielt, und die interessanten Gespräche verstummten – „eine Gurke ist halt nicht für jeden niedlich“, meint Plüsch-Pickle Wottawah. Claudius Schulze