Kunstrundgang : Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um
Die beiden haben Mut. Mechthild Rausch und Dodi Reifenberg heben Peter Eisenmans Entwurf einfach in die Höhe. Damit hat das Holocaust-Mahnmal als „Schwebende Stelen“ zurzeit einen kritischen Wiedergänger in Berlin. Fünfzig grau eingefärbte Styroporquader unterschiedlicher Größe haben Rausch/Reifenberg in der Galerie & Projekte Mathias Kampl an die Decke gehängt. Die Installation ist Ausdruck „des Wunsches, die Stelen möchten sich doch für einige Zeit in die Luft erheben, um uns und die Opfer von der Last des staatlichen verordneten Gedenkens zu befreien“, wie die beiden sagen. Weil sie formal gelungen ist, nimmt man an der Realisierung der Idee keinen Anstoß; sie erscheint im Gegenteil geradezu als poetische Paraphrase zum monumentalen Stelenfeld. Das leichte Material wirkt in der Installation weder leichtfertig noch billig; dadurch löst es den Anspruch der Widerständigkeit ein. Es geht nicht darum, das Eisenman-Mahnmal in Bausch und Bogen zu verwerfen. Rausch/Reifenbergs Arbeit formuliert Anerkennung, aber auch Reibung, andere Gedanken und eben auch anderes – Gedenken.
Zart und luftig sind auch die Gitterkonstruktionen, die Ralf Ziervogel auf gigantischen Tuschzeichnungen in sich zusammenstürzen lässt. Sie hängen in einem weißen Korridor, der den Galerieraum bei Barbara Thumm zum Ausstellungstunnel macht, der schließlich den Blick auf eine fünf Meter breite Panoramazeichnung freigibt. In der von Ziervogel bekannten Manier wimmelt es nur so von penibel, einfalls- und detailreich gezeichneten Menschen und Marken und deren merkwürdigen, oft unglücklichen Zusammentreffen. Nicht so sehr die Desaster des Krieges – die auch –, vielmehr die des Konsumismus, des Promikults und der Pop-Ikonisierung der Welt finden sich hier. Unblutig ist das dennoch nicht.