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Archiv-Artikel

Nach der Räumung bleibt Wut

Der Tag Y in Kreuzberg ist vorüber. Dennoch wollen sich die Exbewohner des Hausprojekts Yorckstraße 59 nicht geschlagen geben. Und machen sich schon auf die Suche nach neuen Räumen

VON LUC CAREGARI, FELIX LEE UND WALTRAUD SCHWAB

Das Hinterhaus in der Yorckstraße 59 ist seit Montag geräumt. Der Streit um das linke Hausprojekt ist aber damit noch lange nicht zu Ende. Im Gegenteil: Die ehemaligen Bewohner wollen nun erst recht weitermachen.

Kritik üben sie zunächst an der Räumung selbst. Die verlief nämlich keineswegs so friedlich, wie es Polizeisprecher Wolfgang Dietz den anwesenden Pressevertretern vor Ort weismachen wollte. Einsatzkräfte hatten gerade bei der Räumung der friedlichen Sitzblockade auf dem Gehweg vor der Yorck 59 zum Teil sogar massive Gewalt angewandt. Videoaufnahmen und Fotos im Internet belegen, dass Polizisten mit Fäusten Demonstranten gezielt ins Gesicht geschlagen haben. Eine Person, die beim Abführen die Brille verlor, bekam ein Schlag in die Magenkuhle, als er einen beistehenden Journalisten bat, seine Brille aufzuheben. Und auch bei der Räumung der 150 verschanzten Personen im Hinterhaus selbst kam es zu mehrfachen Knüppeleinsätzen.

Besondere Empörung löste ein Bild im Tagesspiegel aus. Rund ein Dutzend Festgenommen mussten im Innenhof vor behelmten Polizisten niederknien. Den grünen Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele, der die Räumung beobachtet hatte, erinnerte diese demütigende Art der Behandlung an „Guantánamo“. „Wir werden prüfen, wie es dazu kommen konnte“, versicherte Polizeisprecherin Gabriela Gedaschke. „Die Polizeiführung findet dies unangemessen und wird alle nötigen Schritte unternehmen, dass so etwas nicht wieder vorkommt.“

Besänftigen wird das die zornigen ExbewohnerInnen wohl nicht. Zumindest ihre Sympathisanten wollen nun erst recht auf Konfrontation setzen. Noch während die Räumung andauerte, waren bereits mehrere Kleingruppen vor allem in Kreuzberg und Friedrichshain unterwegs, um spontan Kreuzungen im Morgenverkehr zu blockieren. Am Abend des Räumungstages zogen etwa 2.500 Demonstranten durch Kreuzberg und beschworen „Rache für die Yorck 59“. Gegen 21.30 Uhr besetzte eine Gruppe ein leer stehendes Haus in der Oranienstraße 40, das nach einer halben Stunde von der Polizei jedoch wieder geräumt wurde. Solidaritätskundgebungen gab es auch in Hamburg, Köln, Göttingen und einigen anderen Städten. Zuvor hatten Unbekannte die Hausfassade der PDS-Parteizentrale am Rosa-Luxemburg-Platz besprüht und zwei Scheiben demoliert.

Neben dem Innensenator geben die Bewohner der Yorck 59 nun vor allem der PDS-Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Cornelia Reinauer, die Schuld für die gescheiterten Verhandlungen. Ein realistisches Angebot vom Liegenschaftsfonds habe es nicht wirklich gegeben, sagte Exbewohnerin Elke Schmidt. Stattdessen sei ihnen drei Tage vor der Räumung ein „Knebelvertrag“ vorgelegt worden, in dem nur festgelegt worden sei, dass sie das Haus binnen zwei Wochen zu verlassen haben. „Reinauer können wir nicht mehr vertrauen.“

Die Bezirksbürgermeisterin widerspricht: „Der Vorvertrag, der auch eine Ausstiegsklausel beinhaltete, war notwendig, um den feststehenden Räumungstermin noch einmal um zwei Wochen verschieben zu können.“ Von ihrer Seite seien die Fronten nicht verhärtet. „Wenn man mit uns verhandeln will, tun wir das gerne.“

Wie es für die 60 ExbewohnerInnen konkret weitergeht, ist ungewiss. Einige sind bei Freunden untergekommen, andere haben Wohnungen angemietet. Sie wollen aber vernetzt bleiben. Ex-Yorcki Schmidt: „Wir suchen neue Räume für das alte Projekt.“