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Archiv-Artikel

american pie Kein Olympia ohne Stadion

An der West Side wird wohl keine Arena gebaut – über New York werden wohl keine Ringe prangen

Es ist ein alter Hut, dass, wer olympische Spiele ausrichten will, ein Olympiastadion braucht. Dies gilt auch für New York. Die Stadt befindet sich noch im Rennen um die Ringe, obwohl Big Apple die Frage der Fragen nicht abschließend geklärt hat. Im Gegenteil: Der Streit um das Stadium ist neu entbrannt, nachdem ein Finanzkontrollausschuss aus drei regionalen Politikern, das so genannte Public Authorities Control Board, sich gegen das Stadion ausgesprochen hat. Ein Politiker stimmte dafür, zwei enthielten sich. Ein einstimmiges Pro ist vonnöten, um die Stadionpläne zu verwirklichen. Sollte es bei der Negativentscheidung bleiben, fehlen nicht nur 300 Millionen Dollar aus der öffentlichen Kasse, das olympische Projekt dürfte auch zu Ende sein.

Der Bau in Manhattans West Side wäre teuer. Die Arena soll 2,2 Milliarden Dollar kosten. Die New York Jets, ein NFL-Team, das zurzeit seine Spiele in New Jersey austrägt, will den größten Batzen tragen: 1,6 Milliarden. Der Steuerzahler hätte insgesamt 600 Millionen Dollar zu berappen.

Am 6. Juli wird in Singapur darüber entschieden, ob das stadionlose New York den Zuschlag erhält oder aber die gut bestückten Mitbewerber aus Paris, Madrid, London oder Moskau. Das Internationale Olympische Komitee hat gerade einen Bericht veröffentlicht, der das Angebot der Anwärter bewertet. Am besten kommt die französische Hauptstadt weg. New York kommt erst an vierter Stelle.

Für den Bürgermeister ist klar, warum das so ist. Michael R. Bloomberg glaubt, dass die Chancen seiner Stadt auf Ausrichtung der Spiele drastisch sinken, wenn es bei der Stadionentscheidung bleibt, zumal die Mitglieder des IOC ein klares Merkmal für ihre Wahl heranziehen könnten, nämlich dieses: Hat der Bewerber ein Stadion oder nicht?

Seit vier Jahren versuchen Bloomberg und der Olympialobbyist Dan Doctoroff, ein früherer Investmentbanker, das Projekt voranzutreiben. Sie argumentieren, dass die West Side, vor allem jener strukturell unterentwickelte Teil, wirtschaftlichen Auftrieb erführe, Jobs geschaffen würden, kurzum sich alles zum Besten wenden würde.

Die National Football League lockt zudem damit, dass der Super Bowl 2010 im Neubau stattfinden könnte. Auch die einflussreichen Baugewerkschaften sind mit von der Partie. Doch die Opposition gegen das Stadion ist groß, größer als erwartet. Nicht nur Anwohner laufen Sturm gegen das Stadion, auch der Eigner des Madison Square Garden, der ruhmreichsten Sportstätte New Yorks, hat die Ellenbogen ausgefahren, weil er, James L. Dolan, Konkurrenz wittert. Im Fernsehen hat er Spots gegen das Stadion geschaltet; seine Familie kontrolliert Cablevision.

Die Opponenten wollen das Stadion am liebsten nach Queens auslagern, weit weg vom geplanten Standort. Doch Bloomberg sieht in ihm einen Katalysator für die wirtschaftliche Entwicklung der West Side. „Dieses Votum wirft uns nicht um Monate, sondern um Jahre zurück“, meinte er. Er konnte seinen Groll kaum verbergen, denn das Ergebnis der Abstimmung kam für ihn ein wenig überraschend. Bloomberg hatte einen der Regionalpolitiker nach allen Regeln der Kunst bearbeitet, ihn umgarnt, Druck gemacht, ihn für das Projekt erwärmt.

Aber Sheldon Silver dachte gar nicht daran, dem mächtigen Mann nach dem Mund zu reden. Er sagte, er habe die Interessen seiner Leute aus dem Viertel zu vertreten, die nun einmal dagegen seien. Und so zementierte er nur eine Stunde vor der Abstimmung seine Enthaltung. Das Echo dieses „No“ wird bis hinauf auf den Olymp gedrungen sein. Die Hüter der fünf Ringe reagieren auf derlei Schwingungen sehr sensibel. Was nützt es da, dass Bloomberg angekündigt hat, den eigensinnigen Herrn Silver noch einmal ins Gebet zu nehmen? Dafür könnte es bereits zu spät sein. MARKUS VÖLKER