berliner szenen: Nicht auf den Hund gekommen
Es ist kalt geworden und dunkel. In den Öffentlichen haben die Leute ihre November-Gesichter aufgesetzt. Grau in Grau mit langen Schatten. Ich mag den November aber eigentlich. Als würde sich die Stadt zurücknehmen und eine Spur langsamer ticken.
„Ach was“, meinte ich zu den Kindern, die sich beschwerten, weil sie im Dunkeln das Haus verlassen müssen und erst im Dunkeln wiederkehren. „Wir machen es uns schön, zünden Kerzen an, kuscheln uns ein und trinken Tee mit Honig.“ Die beiden schienen nicht so überzeugt. Jetzt in der S-Bahn steht eine grauhaarige Frau mit zwei Rucksäcken vor mir. Einen trägt sie vorn und einen hinten.
„Alles klar da hinter mir?“, fragt sie plötzlich, während sie sich zu mir umdreht.
„Meinen Sie mich?“, frage ich erstaunt. Ich finde, ihr Ton klingt irgendwie, als wäre sie auf Krawall aus.
„Ja“, nickt sie, ist aber ganz ruhig. „Ist bei dem Kleinen hinten alles in Ordnung?“ Sie dreht sich wieder nach vorn und da erst bemerke ich, dass der Rucksack eine Hundetrage ist. Er ist nach oben offen und ein kleiner wollener Pudel schmiegt sich an ihren Rücken.
„Ach so, ja, den sehe ich ja jetzt erst“, sage ich. „Er ist ganz ruhig und schläft.“
„Dann hat er mich nur im Traum getreten“, meint die Frau.
„Ich habe ihn vorher gar nicht bemerkt“, sage ich.
„Hier ist noch einer.“ Sie zeigt mir eine weitere Hundetrage vor ihrer Brust. Darin steckt ein schwarzer Pudel. „Ist mir im Winter schön warm.“ Ich lache.
„Neulich habe ich ihn hinten auf dem Rücken vergessen, sodass ich mich hingesetzt und angelehnt habe. Da hat er schrecklich aufgejault und die Leute dachten, ich würde dermaßen laut herum jaulen. Aber so sehr auf den Hund gekommen bin ich dann doch noch nicht. Wir machen es uns bloß gemütlich.“ Isobel Markus
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