: „Die Empörung ist übertrieben“
Die Regierung belohnt ihre Beamten. Das ist harmlos, findet Christoph Reichard, Experte für Personalmanagement. Ein Beförderungsstopp vor Wahlen sei nicht nötig
taz: Herr Reichard, die Bundesregierung hält an den umstrittenen Beförderungen vor der Wahl fest. Sind Sie empört?
Christoph Reichard: Nein, bin ich nicht. Ich finde das prüfungsbedürftig, die Empörung aber ist übertrieben.
Der Boulevard sieht das ganz anders.
Es sollen rund 140 Mitarbeiter befördert werden, darunter Mitarbeiter des gehobenen und einfachen Dienstes, Postbeamte und Sekretärinnen also. Das ist mit Sicherheit harmlos, gerade auch wenn man an die Größe des Regierungsapparats und der Ministerien denkt. Trotzdem sollte geprüft werden, ob nicht ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Parteimitgliedern in machtnahen Positionen dabei ist.
Die Beamten mit Parteibuch haben sieben Jahre lang hart gearbeitet. Ist eine Beförderung zum Abschied da nicht ein berechtigtes Dankeschön?
Das kommt darauf an, wie sie ihren Job gemacht haben. Wenn die Beurteilung halbwegs stichhaltig und kein reines Gefälligkeitsgutachten ist, hätte ich kein Problem. Die Frage ist doch: Haben die wirklich gute Arbeit geleistet oder werden sie nur belohnt, weil sie das richtige Parteibuch haben? Dann wäre es bedenklich.
Ist es also legitim, wenn ein Minister für Mitarbeiter, die sehr gute Arbeit gemacht und ihm treu gedient haben, das Beste rausholt?
Nicht automatisch. In sehr hohen Positionen kann das für die nächste Regierung zum Problem werden, weil sie diese Leute nicht mehr los wird und quasi auf dem Beamtenfriedhof parken muss. In der Praxis werden häufig neue Posten geschaffen. Das sind aber wohl die Kosten des demokratischen Wechsels, der eben nicht zum Nulltarif zu haben ist. Außerdem sind das vielleicht vier oder fünf Fälle, die man nicht überbewerten sollte.
Die Regierung Kohl hat kurz vor ihrer Abwahl sogar noch 600 Beamte befördert. Ein klarer Fall von Ämterpatronage?
Gemessen an der Gesamtzahl der Mitarbeiter im Bund können 600 Beförderungen durchaus angemessen sein.
Alle Kritiker würden sofort verstummen, gäbe es ein halbes Jahr vor der Wahl einen Beförderungsstopp.
Das wäre nicht sinnvoll. Das erste halbe Jahr einer Legislaturperiode arbeitet sich eine neue Regierung ein. Wenn auch noch das letzte halbe Jahr wegfällt, bleiben nur noch drei Jahre. Das wäre eine zu starke Einengung in personalpolitischer Hinsicht. Die Leidtragenden wären die normalen Beamten, die parteipolitisch neutral gute Arbeit geleistet haben und jetzt an der Reihe sind.
INTERVIEW: M. OTTENSCHLÄGER