: Konkurrenz für Platzhirsche
FINANZEN Trotz wenig Interesse von Investoren gründet Roland Berger eine eigene Ratingagentur. Einen Gegenentwurf zu den US-Riesen stellt sie nicht mehr dar
VON NICOLA LIEBERT
BERLIN taz | Europa bekommt nun doch eine eigene Ratingagentur. Noch vor wenigen Tagen sah es so aus, als hätte die Unternehmensberatung Roland Berger nicht genügend Investitionsmittel eingesammelt. 300 Millionen Euro von mindestens 30 Geldgebern sollten es sein. Jetzt will die neue Agentur mit weniger Investoren und womöglich nur halb so viel Startkapital anfangen und den Rest im Laufe der Zeit einwerben. 2013 soll es losgehen.
Schon seit Jahren machen sich europäische Regierungen, auch die deutsche, für eine eigene Ratingagentur stark. Sie soll die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten beurteilen. Damit will man den USA Paroli bieten, die bislang mit den drei Agenturen Standard & Poor’s (S&P), Moody’s und Fitch den Markt beherrschen. Finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite sollte es jedoch nicht geben.
Roland Berger warb daher um Privatinvestoren, zum Beispiel große Banken. Diese müssen sich einerseits selbst benoten lassen, andererseits ist für ihre Kreditvergabe und ihr Anlagegeschäft die Bewertung von Kreditnehmern oder Emittenten von Wertpapieren interessant. „Nach intensiven Gesprächen, die wir in den vergangenen Monaten europaweit geführt haben, hat nun eine Reihe von Finanzunternehmen die Bereitschaft erklärt, den Aufbau der global tätigen Ratingagentur europäischen Ursprungs zu unterstützen“, sagte Markus Krall, der bei Roland Berger für das Projekt verantwortlich war.
Den Investoren kam er dabei in zweierlei Hinsicht entgegen. Zum einen gibt er sein Amt als Manager bei Roland Berger anders als geplant zum 1. Mai 2012 auf und wird Geschäftsführer der neuen Agentur. Damit soll deren Unabhängigkeit von der Unternehmensberatung signalisiert werden. Einschneidender ist der zweite Kompromiss, der das Bezahlmodell der Agentur betrifft.
Das Geschäftsmodell der neuen Agentur sollte ursprünglich einen radikalen Gegenentwurf zu den drei etablierten Ratingagenturen darstellen. Zahlen sollten für die Bonitätsbewertungen demnach die Anleger, etwa Versicherungen oder Investmentfondsmanager, die eine Risikobewertung der verschiedenen Wertpapiere wünschen. Damit wollte man den Vorwurf von Interessenkonflikten vermeiden, der die US-Agenturen regelmäßig trifft. Diese lassen sich von denselben Wertpapier-Emittenten bezahlen, die sie anschließend benoten. Nach Ausbruch der Finanzkrise waren sie massiv in die Kritik gekommen, weil sie Ramschpapiere mit Bestnoten versehen hatten. Krall erklärte nun aber gegenüber der Financial Times Deutschland, dass sich sein Alternativansatz am Markt nicht durchsetzen lasse. Jedenfalls nicht, solange die Politik keine Regeln zur stärkeren Trennung von Auftraggebern und Benotung vorschreibe.
Auch die Bertelsmann-Stiftung hatte kürzlich ein Modell für eine Ratingagentur vorgestellt. Die nicht profitorientierte Agentur, deren konkrete Perspektive bisher nicht absehbar ist, soll öffentliche Schuldner kostenlos bewerten. Geldgeber könnten Regierungen, Unternehmen, Stiftungen und Privatleute sein.