: Ehre sei dem „Schreibtischtäter“
PROTEST Die Bremer Universität ehrt das Ehepaar Christa und Manfred Fuchs. Protestierende prangern aber die Rüstungsproduktion ihres Familienunternehmens an
Die SAR-Lupe von OHB nutzt die Bundeswehr zur militärischen Aufklärung.
■ Selbst in Dunkelheit und bei geschlossener Wolkendecke kann sie damit Bilder von jedem Punkt der Erde machen.
■ Eine Luxemburger Tochterfirma von OHB ist am EU-Satellitennetzwerk GMES beteiligt.
■ Die europäische Grenzschutzagentur Frontex benutzt es, um Flüchtlingsboote aufzuspüren. CP
VON CHRISTOPH PAGEL
Die Laudatio findet heute ohne die Geehrten statt. Und dass, obwohl es sich um einen Preis handelt, den es so noch nicht gegeben hat. Dem Ehepaar Christa und Manfred Fuchs, denen der Bremer Weltraumkonzern OHB Technology gehört, soll vor dem Rathaus der „blutige Schreibtischtäter-Schreibtisch“ verliehen werden.
Mit rotem Stoff bespannt und einem Blutfleck steht er direkt vor dem Rathauseingang. „Für die Verdienste um die Rüstungsproduktion und im Krieg gegen Flüchtlinge“ steht darauf.
Anna, giftgrüne Perücke und große schwarze Sonnenbrille, tritt ans Mikrofon. Was sie zu sagen hat, zeigt das Bremer Familienunternehmen von seiner ungeliebten Seite: „Der Name Fuchs steht wie kaum ein anderer in Bremen für Krieg, Rüstungsproduktion und aggressive Flüchtlingsabwehr“, ruft sie. Trillerpfeifen und Applaus ihrer Mitstreiter bestätigen sie.
Rund 30 Protestierende haben sich vor dem Eingang des Rathauses versammelt. Auf einem Transparent steht „Mittelmeer Mördermob“. Studenten sind unter ihnen, Uni-Mitarbeiter und Anhänger der Friedensbewegung.
Neugierige Passanten bleiben stehen, lesen sich die Flugblätter durch. Es soll eine Protestaktion gegen die Bremer Rüstungsindustrie und die Universität werden. Denn der Uni-Senat hat beschlossen, dem Ehepaar Fuchs die Ehrenbürgerschaft der Universität zu verleihen. „Diese Auszeichnung ist ein Skandal“, sagt der 25-jährige Politikstudent Simon Becker. „Sie verstößt gegen Universitätsgrundsätze. Die ist wohl mit Drittmitteln gekauft.“ 1992 hat die Universität beschlossen, „dass jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung oder Zielsetzung abgelehnt wird“. Pikant außerdem: Als Studenten während der Sitzung des Akademischen Senats protestierten, wurde die Entscheidung über Fuchs‘ Ehrung vorgezogen. Ohne Diskussion, ohne Aussprache.
„Die Satellitentechnik, die OHB bereitstellt, kann definitiv für militärische Zwecke missbraucht werden“, sagt Becker. Aber Fuchs gebe sich bei diesem Thema als naiver Gutmensch.
„OHB-Satelliten liefern Daten über die Routen von Flüchtlingsbooten entlang der EU-Grenzen. Die Boote können so auf hoher See abgedrängt und zur Rückkehr gezwungen werden“, ruft Laudatorin Anna gerade, als das Ehepaar Fuchs mit einem schwarzen VW am Eingang des Rathauses vorfährt. Das Sicherheitspersonal am Eingang wird nervös, gibt die Lage per Funk ins Rathaus durch. Auch die Polizei hat sich jetzt zu der Gruppe von Protestlern gesellt.
Anna ruft noch lauter, lädt Christa und Manfred Fuchs ein, ihre Ehrung abzuholen. Die wollen der Bitte nicht nachkommen und wählen mit ihrer Familie nach kurzem, skeptischen Blick lieber den Hintereingang.
Drinnen im Rathaus darf das Ehepaar Fuchs jetzt die richtige Laudatio hören. Es gibt Schampus. Es gibt Schnittchen. Draußen verteilen die Protestler weiterhin Flugblätter. Auch wenn ihr Schreibtisch noch vor dem Eingang steht: Wenigstens Fernsehinterviews dürfen sie geben. Danach machen sie sich auf zum OHB-Firmengelände. Natürlich darf der Schreibtisch dabei nicht fehlen.