Die Sonne lacht – und der Innensenator lacht mit

PROTESTE Walpurgisnacht friedlich, Demos in Kreuzberg vorerst auch. Zehntausende auf Myfest

„So stelle ich mir den 1. Mai vor: Alles friedlich, die Sonne scheint“

FRANK HENKEL, CDU-INNENSENATOR

Sonnenschein und Menschenmassen auf der DGB-Kundgebung und dem Myfest prägten den 1. Mai bis zum Abend. Entsprechend entspannt gab sich Innensenator Frank Henkel (CDU), der sich am Nachmittag kurz auf dem Kreuzberger Straßenfest blicken ließ. „So stelle ich mir den 1. Mai vor: Alles friedlich, die Sonne scheint“, freute sich der CDU-Innensenator vor dem Kreuzberg-Museum, umringt von Sicherheitsleuten, weitgehend ignoriert von den Myfest-Besuchern. Dann lobte er sich noch flink selbst: „Unser Konzept ist aufgegangen.“ Gemeint war die Doppelstrategie der Polizei: Mit allen sprechen, bei Straftaten sofort eingreifen.

Henkels Zufriedenheit überraschte nicht, war doch die Walpurgnisnacht so friedlich verlaufen wie seit Jahren nicht. Lediglich vier Festnahmen konstatierte die Polizei – im vergangenen Jahr waren es am 1.-Mai-Vorabend noch 58. Erstmalig hatten die Linken ihre „antikapitalistische Walpurgnisnacht“, traditionell in Friedrichshain begangen, in den Wedding verlegt. Mit einer Kundgebung und Musik wurde am Nachmittag gegen steigende Mieten demonstriert, am Abend zogen rund 4.000 Demonstranten durch den Stadtteil. Die von Anwohnern befürchteten Krawalle fanden nicht statt: Es blieb bei ein bisschen Pyrotechnik und vereinzelten Steinewürfen. „Lasst uns den 30. April zum Kampftag der Mieter machen“, hieß es aus dem Aufzug.

Sorge um 18-Uhr-Demo

Doch ganz mochte Henkel – für ihn war es der erste 1. Mai im Amt – dem Frieden am Dienstagnachmittag nicht trauen. Die 18-Uhr-Demonstration der Autonomen, erstmalig mit Ziel Bebelplatz in Mitte, sei „ambitioniert“, sagte er. Sein Sprecher hatte sich da sicherheitshalber schon mal einen schwarzen Kapuzenpullover übergestreift, ganz Autonomen-Style. Henkel beließ es bei weißem Hemd und Jeans.

Wenig später setzten die Linksradikalen ihr erstes Zeichen. Schon im Vorfeld hatten sie zu einem unangemeldeten Aufzug vom Mariannenplatz durchs mit Zehntausenden Besuchern wie immer proppevolle Myfest aufgerufen. Sie starteten gegen 17.15 Uhr mit rund 400 Teilnehmern, rasch wuchs ihre Zahl auf 1.200.

Die meisten Myfestbesucher reagierten gelassen, viele filmten mit Handys den Aufzug. Kurz vor 18 Uhr wurde die Demo von Polizisten eingekesselt und aufgelöst. Die Atmosphäre blieb entspannt. Allerdings begann es heftig zu regnen.

Für 18 Uhr war traditionell auch der Start der „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ angesetzt. Ebenso traditionell verzögerte er sich – bis Redaktionsschluss standen mehrere Tausend Teilnehmer noch am Lausitzer Platz. Von dort sollte es zum Bebelplatz gehen, laut Aufruf „ins Zentrum der Macht“, um sich so in die europäischen Krisenproteste einzureihen. Als heikel galt vor allem jener Teil der Route in der Nähe des Springer-Hochhauses. Es war weiträumig abgesperrt, Wasserwerfer standen bereit.

Bereits am Vormittag hatten rund 12.000 Gewerkschafter vom Hackeschen Markt bis zum Brandenburger Tor für Mindestlohn demonstriert und auch hier gegen die europäische Sparpolitik. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer forderte der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Ulrich Thöne. Auch müsse der Spitzensteuersatz deutlich heraufgesetzt werden.

Schlapp machten die Maoisten und Linksorthodoxen: Ihre 13-Uhr-Demo sagten sie kurzerhand ab. Begründung: mangelnde Unterstützung. AKW, BIS, KO, SE

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