: Grüne stiften Ärger im Hinterhof
Die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung will von den Hackeschen Höfen in ein eigenes Haus ziehen. Ihr dort geplanter Anbau bringt eine Initiative von Anwohnern auf die Palme. Die fürchten um die Aussicht auf den lange geplanten Park in ihrem Block
von NICOLE WELGEN
„Alarmstufe eins, Alarmstufe eins!“, schallt es durch das Krausnickdreieck. Die Kinder, die sich durch das Gestrüpp schlagen, das den Blockinnenbereich zwischen Oranienburger Straße, Großer Hamburger Straße und Krausnickstraße noch überwuchert, spielen nur. Ihre Eltern meinen es ernst: Ausgerechnet ein geplanter Anbau der Heinrich-Böll-Stiftung droht, ihnen den Blick in den Park zu verderben, zu dem die rund 7.000 Quadratmeter große Grünfläche in den nächsten Monaten umgestaltet werden soll.
Noch befinden sich die Geschäftsräume der Böll-Stiftung wenige hundert Meter weiter östlich in den Hackeschen Höfen. 2007 läuft jedoch der Mietvertrag aus, und anstatt ihn zu verlängern, will man lieber ein Gebäude kaufen. 50 Objekte hat die Stiftung geprüft und sich letztlich für das Grundstück Oranienburger Straße 18 entschieden, ein unter Denkmalschutz stehendes Wohnhaus aus dem 19. Jahrhundert. Alle 180 Mitarbeiter passen allerdings nicht in den Altbau. Fazit: Ein rund 300 Quadratmeter großer Anbau muss her, zwei bis vier Stockwerke hoch.
Dennoch werde der Park nicht beeinträchtigt. Da ist sich zumindest Ralf Fücks, Vorstand der Böll-Stiftung, sicher. Nur der Verein „Bürgerpark Krausnickdreieck“ sieht das anders. Dessen Mitglieder pflegen bereits seit fünf Jahren den Innenbereich des Blocks. Über ein halbes Jahrhundert war das Areal im Besitz der Humboldt-Universität. Erst im letzten Jahr überschrieb die es dem Bezirk Mitte, um zu verhindern, dass die Fläche durch einen privaten Investor bebaut würde. Viele Anwohner sind daher über die Pläne der Böll-Stiftung geschockt. Irmelin Beringer etwa, die Vorsitzende von „Bürgerpark Krausnickdreieck“, hält einen Anbau dieser Dimension schlichtweg für „eine Sünde“.
„Uns wäre es auch lieber, wenn unser Anliegen ohne einen Anbau verwirklicht werden könnte“, sagt Böll-Vorstand Fücks. Und er weiß: „Wir haben zweifelsohne einen Zielkonflikt mit dem Verein.“ Aber der Stiftung liege viel an einem gegenseitigen Einvernehmen und an einer guten Nachbarschaft.
Eine halbe Million Euro sind nach Angaben der Betroffenenvertretung Spandauer Vorstadt (BVSpV) aus dem Bund-Länder-Programm „Stadtumbau Ost“ bereitgestellt worden, um aus der Blockinnenfläche einen halb öffentlichen Park zu machen. 60 morsche Bäume wurden bereits gefällt. In Kürze soll auch die asbestverseuchte Baracke der Humboldt-Uni abgerissen werden, die mitten in der Grünfläche steht und den Anwohnern schon lange ein Dorn im Auge ist. Dem Traum vom Park im Krausnickdreieck stand eigentlich nichts mehr im Wege.
Bis vor sechs Wochen. „Erst zu diesem späten Zeitpunkt wurden wir Anwohner über die Pläne der Böll-Stiftung in Kenntnis gesetzt“, klagt Beringer. Danach ging alles ganz schnell – vor allem wenn man bedenkt, dass es sich bei der Grünen-nahen Stiftung keinesfalls um den ersten Investor handelt, der das Krausnickdreieck bebauen will. „Solche Absichten hat es eigentlich immer gegeben und alle sind sie abgelehnt worden“, erinnert sich Andreas Wilke vom Koordinationsbüro zur Unterstützung der Stadterneuerung in Berlin. Für die Heinrich-Böll-Stiftung soll nun offenbar eine Ausnahme gemacht werden.
Vor zwei Wochen hat sich der Sanierungsausschuss des Bezirks mit sechs zu vier Stimmen dafür ausgesprochen, der Stiftung eine Baugenehmigung zu erteilen. Die PDS war als einzige Partei klar dagegen, SPD und CDU klar dafür – und die Grünen? Eine Neinstimme, eine Enthaltung. Jetzt muss die Böll-Stiftung nur noch hoffen, dass ihr am 16. Juni auch die Bezirksverordnetenversammlung grünes Licht gibt. Bis dahin muss die Stiftung ein Baukonzept präsentieren, das nicht nur Politiker, sondern auch Fachleute überzeugt.
Mehrere Entwürfe sind bereits an den zu knapp bemessenen Abstandsflächen zu Nachbarhäusern gescheitert. Der aktuelle sieht vor, ein Gebäude parallel zu dem bereits bestehenden zu errichten und an das Nachbarhaus anschließen zu lassen. Die zum Hof zeigenden Rundbogenfenster des sieben Meter hohen und 240 Quadratmeter großen Ballsaals im Erdgeschoss des Altbaus könnten die Anwohner dann allerdings nicht mehr bewundern – aber an den Veranstaltungen teilnehmen, die die Böll-Stiftung dort durchführen will.
Auch sonst will die Institution ein guter Nachbar sein: Ein Fest will sie organisieren und sich an der Pflege des Parks beteiligen. „Wir verstehen uns nicht als Belastung, sondern als Bereicherung für das Krausnickdreieck“, unterstreicht Fücks. Die Anwohner sehen das fast genauso. „Über die Böll-Stiftung als Nachbarn würden wir uns freuen. Wir sind nur gegen den Anbau“, betont Beringer. Und bis der nicht vom Tisch ist, herrscht im Krausnickdreieck weiterhin Alarmstufe eins.