brief des tages:
Kleidung im öffentlichen Raum
„Das Kopftuch hilft Frauen, ein vor Glotzerei geschütztes Leben zu führen“, taz vom 4. 9. 23
Ach wäre es doch nur so einfach: Frauen* bedecken sich und sind damit – zumindest in der Öffentlichkeit – vor Übergriffen geschützt. Es ist schon lange her, da glaubte ich das. In Rom als sehr junge Frau zusammen mit einer Gruppe ebenso junger Frauen rieben sich in den vollen Bussen die Männer an uns. Nach der ersten Busfahrt zog ich trotz Hitze eine lange Hose an – jeden Tag – ohne Erfolg. Ich war nie wieder in Rom. Kurz danach erlebte ich in meiner Heimatstadt in der U-Bahn das gleiche eklige übergriffige Verhalten, tagsüber in normaler Kleidung. Ich fuhr nur noch U-Bahn, wenn absolut nötig. In Paris ging ich mit meiner Freundin durch einen Park. Es war sehr warm, ich zog mein langärmliges T-Shirt aus, darunter trug ich ein Top. Kurz danach hatte ich einen hartnäckigen Mann an meiner Seite. Ich zog das T-Shirt sofort wieder an. Trotzdem wurde ich an jeder Ecke angesprochen. Ich war nie wieder in Paris. Kleidung hat mich nie geschützt, nur der Verzicht auf öffentlichen Raum. Danke Patriarchat!
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