: Die Squaw aus dem Sulzbachtal
OFF-THEATER Volksmusik, Kinofilm: Alles wird zu Material für den Regisseur Patrick Wengenroth, der das Stück „du rot/ich weiß“ im wiedereröffneten Theaterdiscounter zeigt. Zu sehen gibt es eine bunte Mischung aus Wildem Westen und Schlagerabend
Als Vorlage dient das Melodrama „Der mit dem Wolf tanzt“ von und mit Kevin Costner. Wie der Autor und Regisseur Patrick Wengenroth vor Beginn der Inszenierung außerdem mitteilt, ist sein Stück „du rot/ich weiß“ in das von ihm so genannte „Fußnotentheater“ einzuordnen. So stammt der Traumfänger, den die Schauspielerin Verena Unbehaum als Christine „Steht mit einer Faust“ trägt, aus der Special-DVD-Box zum Film. Wengenroth verlegt bei diesem neuen Genre die amerikanische Prärie in das österreichische Sulzbachtal. Der Vertreter der dortigen indianischen Gemeinschaft (Patrick Gusset) trägt knappe Turnhosen und EM-Schal zum Indianerkopfschmuck.
In einer Mischung aus Wildem Westen und Schlagerabend, unterlegt mit einem Karl-May-Feeling, führt der Theaterabend im rot-weiß angehauchten Wechsel durch verschiedene Realitäten, sodass man sich als Zuschauer nie ganz sicher ist, in welchem Jahrhundert und in welchem Land man sich befindet.
Oder vielleicht doch mitten im Filmerfolg der Neunziger? Wenn Jens Koch als Leutnant John Dunbar alias Jens J. Dünnbär ans Mikro tritt und „Ich fühle mich heute so sonderbar bewegt“ haucht, bevor er in bester Musikantenstadel-Manier einen Volksmusikhit anstimmt, spielt das eigentlich keine Rolle mehr. Denn man will sich nur noch mitreißen lassen von dem Treiben auf der Bühne, das ständig in eine andere Ecke verrutscht.
Die Love-Story darf natürlich auch nicht fehlen und so bahnt sich eine kulturübergreifende Liebe zwischen dem Leutnant und der Squaw an, die sich freut, dass sie „trotz der beiden Schwangerschaften immer noch die Figur einer Weißen behalten hat“, und dabei eine Österreichfahne schwingt.
Die Annäherungen zwischen Rot und Weiß laufen ganz nach Drehbuch, auch wenn man sich darauf einigt, dass „niemand erwarten kann, dass wir Assimilation tolerieren“.
Inzwischen hat es auch Uschi Glas mit ihrer Apanatschi-Vergangenheit ins indianische Österreich von 1864 geschafft. Sie bringt das ganze Dilemma der Identitätskrise auf den Punkt: „Für dich bin ich nur eine Wilde und für die Wilden bin ich Uschi Glas. Ein Nichts.“
Wie bei einer guten Special-DVD-Box kommt am Ende das Making-of. So auch bei „du rot/ich weiß“, wenn Kevin Costner und Mary McDonnell ihren Filmerfolg in den Himmel loben und dabei über die Differenzen verschiedener Kulturen sinnieren.
In seiner Inszenierung nimmt Patrick Wengenroth die Struktur und Motivation des Costner’-schen Leutnant-Wolf-Indianer-Dramas (das nun wirklich keiner mehr freiwillig anschauen will) auseinander und führt in schön schräger Art und Weise den allzu theoretischen Überbau des Films vor, der in Hollywoodromantik den Übergang von einer Kultur in eine andere zeigt und dabei doch nur die Grenzen verhärtet. Lachen über Assimilation – das funktioniert bei diesem Theaterabend, ohne dass er sich dabei allzu sehr in Zynismus oder Albernheit flüchtet.
Mit „du rot/ich weiß“ feiert der Planet Porno Regisseur seinen Einstand in der neuen Spielstätte des Theaterdiscounter im zweiten Stock des ehemaligen Fernmeldeamts nahe dem Alexanderplatz. Als Gründungsmitglied des 2003 gestarteten freien Theaters kann Patrick Wengenroth auf einige Erfolge zurückblicken. Mit bis zu 200 Vorstellungen pro Jahr hat sich der Theaterdiscounter, der aus Eigeninitiative entstanden ist, zu einer festen Größe innerhalb der freien Theaterszene Berlins entwickelt, die vor allem neue Dramatik, kombiniert mit Ausstellungen, Eigenformaten und Partys auf dem Spielplan stehen hat.
MARIANNE CEBULLA
■ Wieder am 29. und 30. 8., im Theaterdiscounter, Klosterstr. 44