piwik no script img

Archiv-Artikel

Täter bleiben bis heute straflos

OSTTIMOR Wer vor zehn Jahren die nach Unabhängigkeit strebende Bevölkerung terrorisierte, kam ungeschoren davon. AI fordert jetzt ein internationales Tribunal

AI: Opfern vorzuhalten, sie verhinderten Fortschritt, schädigt sie nur noch mehr

VON SVEN HANSEN

BERLIN taz | Die schweren Menschenrechtsverletzungen vor und nach dem Unabhängigkeitsreferendum 1999 im damals indonesischen Osttimor bleiben ungesühnt. Dies kritisiert jetzt Amnesty International (AI) in einem Bericht. Er macht die Regierung des 2002 unabhängig gewordenen Osttirmors, die Exbesatzungsmacht Indonesien sowie die Staatengemeinschaft für die Straflosigkeit verantwortlich.

Am 30. August 1999 stimmten in einem von der UNO organisierten Referendum 78,5 Prozent der Osttimoresen für die Unabhängigkeit der 1975 von Indonesien besetzten und 1976 annektierten früheren portugiesischen Kolonie. Schon vor dem Votum terrorisierten vom indonesischen Militär aufgebaute Milizen die Bevölkerung. Nach der Abstimmung vertrieben die Milizen mehr als hunderttausend Menschen. Mindestens 1.200 wurden getötet. Erst eine internationale Friedenstruppe, an der sich auch die Bundeswehr mit einem Sanitätsflugzeug beteiligte, beendete die Gewalt. Bereits von 1975 bis 1999 waren rund 200.000 Osttimoresen der Besatzung zum Opfer gefallen.

AI fordert jetzt die Einrichtung eines internationalen Tribunals zur Aufarbeitung aller Menschenrechtsverletzungen in Osttimor von 1975 bis 1999. Die Verantwortlichen seien bis heute weder in Indonesien noch Osttimor vor ein „glaubwürdiges, unabhängiges und unparteiisches Tribunal“ gestellt worden. „Trotz nationaler und internationaler Initiativen zur Gerechtigkeit werden den Menschen in Osttimor weiter Gerechtigkeit und Entschädigungen vorenthalten,“ so Donna Guest von AI. „Es ist schwer für Opfer zu verstehen, warum etwa General Wiranto, Befehlshaber der indonesischen Truppen 1999, frei bleibt und bei Indonesiens Präsidentschaftswahlen im Juli 2009 gar für die Vizepräsidentschaft kandidieren konnte,“ kritisiert AI. Die Regierungspositionen seien für die Opfer demoralisierend. In Osttimor betonen sowohl Friedensnobelpreisträger und Präsident José Ramos Horta wie der Exwiderstandsführer und heutige Premier Xanana Gusmao, dass sie die Unabhängigkeit nicht mit einer Verschlechterung des Verhältnisses zu Indonesien belasten wollten. Doch den Opfern vorzuhalten, sie würden mit der Forderung nach Gerechtigkeit den Fortschritt behindern, würde nur ihren erlittenen Schaden vergrößern, so AI.

„Die anhaltende Straflosigkeit hat zum Eindruck geführt, dass manche Menschen über dem Gesetz stehen,“ sagt die Osttimorexpertin Monika Schlicher von der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia! in Berlin der taz. „Nicht wenige Osttimoresen haben deshalb Angst, dass wieder Gewalt ausbricht wie schon zuletzt in der Krise 2006/2007.“