… DIE POLIZEI?
: Glas-Nost

Ein Euphemismus ist ein sprachlicher Ausdruck, der einen Sachverhalt beschönigend, mildernd oder in verschleiernder Absicht benennt. Bei Wikipedia ist das so nachzulesen, sei hier mal vorsichtigerweise angemerkt, um nicht in Plagiats-Kalamitäten zu kommen wie jüngst der CDU-Fraktionschef. Beschönigend redeten bislang meist die, die ihre Tat verharmlosen wollten: Aus einem Faustschlag wird ein Wangenstreicheln, aus einem Steuerbetrug ein innovativer Umgang mit dem Finanzrecht. Und aus Scheibeneinschmeißen mit Vorsatz am 1. Mai – nach Paragraf 303 des bundesdeutschen Strafgesetzbuchs als Sachbeschädigung mit bis zu zwei Jahren Gefängnis belegt – wird im Demo-Sprech der linken Szene, „entglasen“. Alles schon schlimm genug.

Aber wie immer kommt es noch schlimmer. Denn wer benutzt ebenfalls diesen verharmlosenden Ausdruck? Unser aller Ordnungshüter. „Am Kottbusser Tor ist eine Filiale der Sparkasse entglast worden“, war im Info-Radio des RBB am Morgen nach den 1.-Mai-Demos ein Polizist zu hören. Da könnte man meinen: Polizisten werden ja auch nicht für wohl formulierte Radiointerviews bezahlt, sondern fürs Ordnungshüten. Nun sprach da aber nicht irgendein Verkehrs-Schupo, sondern ein hochrangiger Polizeirat, der Leiter der Polizei-Pressestelle.

Wenn nun selbst der schon nicht mehr „Fenster einwerfen und zerstören“ sagt – setzt da vielleicht gerade ein ganz neuer Trend zum Beschönigen ein? Vielleicht ist morgen ein Gewerkschaftsboss zu hören, der nicht mehr von Entlassungen redet, sondern im Unternehmersprech von „Arbeitskräfte freisetzen“ bzw. „Mitarbeiter dem Arbeitsmarkt zuführen“. Oder ein Denkmalschützer, der den Abriss eines Barockschlösschens zum „Rückbau“ macht.

Noch abstruser ist, dass „Entglasung“ – jetzt nach dem Web-Mineralienatlas zitiert – gar nicht Fenster-Einwerfen bedeutet. Sondern „die anfängliche Entwicklung von Kristallen in glasartigen magmatischen Gesteinen wie Rhyolith oder Obsidian.“ STA Foto: dapd