: Erste Wahl nach neuem Recht
REFORM In Schleswig-Holstein gilt ein neues Wahlrecht. Das alte hatte das Verfassungsgericht beanstandet und Neuwahlen angeordnet. Die taz beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Folgen
Die Schleswig-Holsteiner haben doch erst 2009 gewählt. Warum nun schon wieder?
Das Landesverfassungsgericht hat am 30. August 2010 entschieden, dass der 2009 gewählte Landtag „verfassungswidrig zusammengesetzt“ und das damals geltende Wahlrecht „unvereinbar“ mit der Landesverfassung ist. Es ordnete Neuwahlen an.
Was hat das Gericht konkret moniert?
Zum Einen ging es um die Verrechnung von Erst- und Zweitstimmen: Die Wähler stimmten in 34 von 40 Wahlkreisen mehrheitlich mit ihrer Erststimme für einen CDU-Direktkandidaten. Doch das Kräfteverhältnis im Landtag wird über die Zweitstimmen entschieden – danach hätten der Partei aber nur 23 Sitze zugestanden. Die elf zusätzlichen Sitze sind die sogenannten Überhangmandate.
Damit das Stimmverhältnis im Landtag trotzdem das Ergebnis der Zweitstimmen-Wahl abbildet, bekommen die anderen im Parlament vertretenen Parteien auch mehr Sitze, die sogenannten Ausgleichsmandate. Das damals gültige Wahlrecht sah aber vor, dass nur acht der elf Überhangmandate der CDU ausgeglichen wurden. Das Gericht beanstandete die so entstandene Größe des Landtags: Es gibt derzeit 95 Abgeordnete, die Verfassung sah 69 Sitze vor.
Was hat sich geändert?
Der Landtag hat die Verfassung geändert. Die vorgesehene Größe des Parlaments steht jetzt im ebenfalls erneuerten Wahlgesetz. Sollte der Landtag größer werden, kann das nicht mehr so schnell der Verfassung widersprechen. Darüber hinaus gibt es jetzt 35 statt 40 Wahlkreise. Alle Überhangmandate müssen ausgeglichen werden. Auch werden Zweitstimmen nun nach dem Verfahren von Sainte-Laguë/Schepers in Sitze umgerechnet. Das kommt eher den kleinen Parteien zugute.
Wird der Landtag jetzt kleiner?
Dass es weniger Wahlkreise gibt, soll den Aufbläh-Effekt durch Überhang- und Ausgleichsmandate verringern. Aber: Mehr als 69 Abgeordnete werden wohl auch im nächsten Landtag sitzen. Hätte das neue Wahlrecht 2009 schon gegolten, wären es jetzt etwa 89, nicht 95. Schwarz-Gelb hätte keine Mehrheit.
Was ändert sich für die Wähler?
Das Verfahren bleibt gleich. Weil es aber weniger Wahlkreise gibt, wurden sie neu zugeschnitten. Zum Teil mit kuriosen Folgen: Lübeck hat nur noch zwei statt drei Wahlkreise – ein Teil der Lübecker wählt jetzt mit dem Umland ihren Direktkandidaten. Die Wahlkreisgrenze verläuft mitten durch einen Stadtteil.