SUSANNE LANG über DIE ANDEREN : Herr Sahner, wir müssen reden!
Die SPD ließ er baden gehen – jetzt plant der „Bunte“-Klatschreporter mit der CDU
Sie ist mir mittlerweile unheimlich. Kaum fühlt sich die CDU als rechtmäßige Wahlgewinnerin, hat sie – nach nur zwei Wochen! – mein Leben unterwandert. Bislang verhaltensunauffällige Bekannte sprechen auffällig häufig in „dalli dalli“, „balla balla“, und „gaga“-Sätzen. Die Jungszenefriseurin schneidet einer guten Freundin einen verhaltensauffälligen Topfhaarschnitt – ungebeten! – und die behält ihn glatt. Seither lächelt sie verhaltensauffällig und erwägt den Kauf eines orangefarbigen Jacketts.
Der Höhepunkt aber: meine tolerant-konformistische Nachbarin, neulich an meiner Tür. Wedelte mit der aktuellen Bunte. „Jetzt ist sie wirklich angekommen“, schrie sie. Kanzlerin Angela Merkel. Nicht an der Macht, aber in der Zeitschrift für Intim- und Privatpolitik („Attraktiv wie nie zuvor“).
Seither habe ich Wahnvorstellungen. Sehe Angela Merkel im Pool planschen, hoch verliebt, neues Glück, ein CDU-Prinz, ein von und zu. Überall nur noch CDU-People. Und damit haben sie die Wahl ja schon gewonnen.
Ich hatte zwei Möglichkeiten: a) Psychotherapie oder b) Experten-Beratung. Ich griff zum Hörer.
„Sekretariat Chefredaktion, Bunte, Guten Tag.“
„Die taz, ich muss dringend Ihren Chefreporter Paul Sahner sprechen!“
„Um was geht es denn?“
„Um alles!“
„Moment, ich stelle durch.“
Ich war doch etwas nervös. Paul Sahner! Der Mann, der mit seinen Interviews sogar Rudolf Scharping in den Swimmingpool beförderte. Der immer gut gebräunte, immer schwarz gekleidete Chefreporter, der Boulevard-Kavalier. Der gerne mal Gesprächspartner auflockert, mit Plauderfragen wie: „Wann hatten Sie eigentlich zum letzten Mal Sex?“ Da war die Leitung frei.
„Hallo Susanne“, sagte eine tiefe Stimme. „Worum geht’s?“
Guter Einstieg, ohne Zweifel. Ich siezte tapfer weiter.
„Die CDU, warum ist sie allen Menschen plötzlich so sympathisch?“
„Ist doch klar, in unserem Job, nicht nur bei Bunte, ist nichts gefragter als der enge, gepflegte Umgang mit den Mächtigen. Obwohl? Erstaunlich war es schon, wie schnell sich einige nach dem Wind gedreht haben, ich meine jetzt nicht die taz. Man klebt sich eben an die neue Macht. Gut, ob das menschlich okay ist? Beruflich ist es verständlich, bei so viel arbeitslosen Journalisten.“
Warum hat er gerade gelacht? Egal.
„Bunte macht also Politik?“
„Bunte ist durchaus hilfreich, um die private Seite zu zeigen. Heute kannst du Politik nur noch verkaufen, wenn du privat glaubwürdig bist. Natürlich gibt es Privatsphären, die man schützen muss, aber manche Politiker lassen auch gern tief blicken in ihr Liebes- und Gefühlsleben. Das wird sich auch bei einer CDU-Regierung nicht ändern – und dann ist da ja auch noch Westerwelle.“
„Werden Sie, Herr Sahner, die CDU in die Regierung befördern?“
„Also nein, wir beobachten das politische Geschehen ganz neutral. Bei Bunte ist das doch genauso wie bei der taz.“
Er hat schon wieder gelacht.
„Ich wollte nur klarstellen, Susanne: Bei uns gibt es nicht nur Unions- oder FDP-Wähler.“
„Und Sie, Herr Paul Sahner?“
„Ich werde wohl schwarz wählen. Diesmal. Nicht wie 1998 und 2002. Ich bin gespannt auf den Wechsel.“
Jetzt musste ich lachen. „Wegen Angela Merkel?“
„Angie ist der Boss. Sie wird keine schlechte Kanzlerin sein, sie wird sicher weniger spektakulär regieren als Schröder. Aber auch in ihr steckt Potenzial. Man wird noch viel über sie erfahren, über ihren Ehemann, das wird alles sehr spannend, wird er eine Art Prinzgemahl?“
Ich dachte: Mein Gott! Es sind keine Wahnvorstellungen!
„Sie sind also auch fertig mit dem Duo Schröder/Fischer?“
„Aber nein, beide werden immer wieder für eine Geschichte gut sein. Joschka Fischer kehrt vermutlich dem alternativen Projekt den Rücken und wird Berater bei einem Global Player. Er hat ja internationale Beziehungen. Schröder landet mit seiner Affinität zur Autoindustrie wahrscheinlich bei VW oder bei Porsche – schnell wie er ist.“
Aber da war ich längst beruhigt: Wir werden noch sehr viel Spaß haben mit der Uckermark-Prinzessin und dem neuen Manager-Duo Schröder/Fischer. Nur um Eckart von und zu Klaeden mache ich mir jetzt wirklich Sorgen. Der hüpft ins Kinderbecken. Danke dafür, Paul!
Was wird aus Ecki? kolumne@taz.de Morgen: Bernhard Pötter über KINDER