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Archiv-Artikel

Kampf mit Taschenrechnern vor dem EU-Gipfel

Bei seinem heutigen Berlinbesuch wird Großbritanniens Premierminister Tony Blair den Britenrabatt verteidigen. Für Paris, Berlin und die EU-Kommission sind aber genau diese Zahlungen das Finanzproblem Nummer eins

BRÜSSEL taz ■ Je näher die Entscheidungsnacht beim Brüsseler Gipfeltreffen rückt, desto schärfer werden die Auseinandersetzungen. Statt Laserschwertern zücken die Herren aus den Hauptstädten ihre Taschenrechner. Da Luxemburgs Ratspräsident Jean-Claude Juncker die Einigung über die nächste Finanzperiode bis 2013 zum Symbol für die Handlungsfähigkeit der EU stilisiert hat, kämpfen Chirac, Schröder und Blair nicht mit Worten, sondern Zahlen.

Bei seinem heutigen Besuch in Berlin und dem Treffen mit Juncker morgen in Luxemburg wird Tony Blair erneut darlegen, dass er über den britischen Rabatt nicht mit sich reden lässt. Im Londoner Unterhaus sagte er vergangenen Mittwoch: „Der britische Rabatt wird bleiben, und wir werden ihn nicht wegverhandeln – Punkt!“

Aus britischer Sicht ließen sich Europas Finanzprobleme ohne eigene finanzielle Opfer lösen: Frankreich müsste zustimmen, die Brüsseler Agrarsubventionen zurückzufahren, die noch immer den Löwenanteil des EU-Haushaltes ausmachen. Der Britenrabatt, sagte Großbritanniens Botschafter Sir Peter Torry in Berlin in der Welt am Freitag, sei viel geringer, als deutsche und französische Zeitungen behaupteten. „Großbritannien ist selbst nach dem Rabatt zweitgrößter Beitragszahler der EU. Ohne Rabatt hätte Großbritannien pro Kopf zwischen 1995 und 2003 netto rund 15-mal so viel wie Frankreich eingezahlt und 12-mal so viel wie Italien.“ Deutschland trage nicht ein Viertel des Rabatts, sondern nur 400 Millionen Euro im Jahr.

Die EU-Kommission dagegen ist auf den französisch-deutschen Zug aufgesprungen und rechnet den Britenrabatt als Problem Nummer eins aus dem Haushalt heraus: „Seit 1985 erhält Großbritannien einen Rabatt – 1997 bis 2003 durchschnittlich 4,6 Milliarden Euro pro Jahr.“ Das seien zwei Drittel des britischen EU-Beitrags. „Großbritannien bekommt 66 Cent von jedem Euro seines Nettozahlerbeitrags zurück. An zusätzlichen Ausgaben, wie der Erweiterung, beteiligt sich das Vereinigte Königreich nur mit einem Drittel der normalen Kosten.“

Diesen Rabatt müssten die anderen mit finanzieren. Deutschland, Holland, Schweden und Österreich erhielten aber einen Rabatt auf den Rabatt und zahlten nur ein Viertel dessen, was sie rechnerisch tragen müssten.

In einem sind sich die EU-Kommission und der britische Botschafter einig: Deutschland zahlt nicht ein Viertel des Britenrabatts (1,15 Milliarden Euro), sondern ein Viertel des auf Deutschland entfallenden Rabattanteils (400 Millionen Euro). Den deutsch-französischen Agrarkompromiss von 2002 bezieht die Kommission in ihre Sparvorschläge nicht ein. Großbritannien geißelt den von der Kommission vorgelegten Etatentwurf von 1.025 Milliarden Euro pro Jahr als viel zu hoch. Die Ausgabensteigerung von 18 Prozent müssten alle Nettozahler finanzieren – allen voran Deutschland. DANIELA WEINGÄRTNER