portrait: Ein prinzipientreuer Revolutionär
General Vasco Gonçalves ist tot. Der Führer der „Bewegung Streitkräfte“, die die portugiesische Nelkenrevolution lenkte, und spätere Ministerpräsident starb am Sonnabend an einem Herzschlag, als er im Swimmingpool seines Bruders badete. Mit dem 83-Jährigen verliert Portugal eine der umstrittensten Persönlichkeiten seiner jüngeren Geschichte.
1973 hatte sich Gonçalves, damals noch Oberst und 51 Jahre alt, der „Bewegung der Kapitäne“ angeschlossen. Schnell wurde der Sohn eines international anerkannten Fußballspielers zu einem der Vordenker der Offiziere aus dem Mittelbau der Armee, die nach mehreren Kolonialkriegen der Diktatur überdrüssig waren. Sie planten den Staatsstreich, der dank der breiten Unterstützung der Bevölkerung ohne Blutvergießen erfolgreich die knapp 50-jährige Diktatur beendete.
Gonçalves war einer derer, die das Programm für das neue Portugal ausarbeiteten. Als Marxist setzte er auf „die Sozialisierung der Wirtschaft“. Im Juli 1974 wurde der Freund klarer Parolen Premierminister. Sein Motto: „Entweder ist man auf der Seite der Revolution oder auf der Seite der Reaktion. Einen dritten Weg gibt es nicht.“
Unter seiner Regie wurden die letzten afrikanischen Kolonien Portugals unabhängig. Die Löhne wurden erhöht und die Arbeitsbedingungen verbessert, Banken und Versicherungen verstaatlicht. Doch der tiefgreifendste Wandel fand auf dem Lande statt. Die Latifundien der Großgrundbesitzer wurden in Kooperativen umgewandelt. Die Genossenschaften sollten bald schon zum wichtigsten Symbol des neuen Portugals werden.
Doch mit dieser Politik machte sich „der General des Volkes“, dem enge Verbindungen zur Kommunistischen Partei nachgesagt wurden, nicht nur Freunde. Im November 1975 wurde er von als gemäßigter geltenden Offizieren und Politikern aus dem Amt gejagt und in den Ruhestand versetzt. Der Vater zweier Kinder zog sich aus der Politik zurück. Schließlich hatte er sich immer nur als Vertreter der Bewegung der Streitkräfte gesehen. Eigene Ambitionen oder Personenkult war ihm fremd. Dennoch wetterte er bis zuletzt in Interviews oder bei Konferenzen gegen „die Konterrevolution, die seit 30 Jahren herrscht“.
Für seine Anhänger gilt „Genosse Vasco“ deshalb als „ein Mann, der immer seinen Ideen treu blieb“. Für seine Gegner bei den Sozialisten und der portugiesischen Rechten steht er für eine Politik, die zum sozialen Chaos führte. Der Präsident, der Sozialist Jorge Sampaio, wertete Gonçalves in einem Beileidstelegramm an dessen Witwe ganz diplomatisch als „einen Mann, der mit seiner Persönlichkeit eine turbulente Periode stark geprägt hat“. REINER WANDLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen