: „Ich sehe mein Buch als Warnung“
JÜDISCHE KULTURTAGE Assaf Gavron hat den Zukunftsroman „Hydromania“ geschrieben, in dem Wasser knapp ist. Ein Gespräch mit dem israelischen Schriftsteller, der heute Abend in Berlin aus dem Buch lesen wird
geb. 1968, ist Autor des Buches „Ein schönes Attentat“. Seinen neuen Roman, „Hydromania“, nennt er eine „spekulative Fiktion“. Er spielt in einem geschrumpften Israel, in dem Wasser wie überall auf der Welt zu einem raren und teuren Gut geworden ist. Es entwickelt sich ein Thriller, Pulp Fiction im besten Sinne: hochspannend und voll interessanter Ideen. Luchterhand Verlag, 286 Seiten, 9 €
INTERVIEW ULRICH GUTMAIR
taz: Herr Gavron, bei Ihnen ist es jetzt halb fünf am Nachmittag. Wie viele Liter Wasser haben Sie heute schon getrunken?
Assaf Gavron: Gute Frage. Wahrscheinlich nicht genug, einen halben Liter vielleicht.
Haben Sie geduscht?
Ja, heute Morgen.
Ein Israeli, der sein Geschirr unter dem laufenden Wasserhahn spülte, weil er keine Maschine hatte, hat mir mal erklärt, es habe keinen Sinn, Wasser zu sparen. Die Regierung verschwende derart viel davon, dass es auch schon egal sei.
Ich bin zwar nicht der Ansicht, dass es egal ist, was der Einzelne tut oder lässt – ganz im Gegenteil. Ich bin aber auch kein besonders gutes Vorbild, wenn es ums Wassersparen geht. Meine Entschuldigung könnte höchstens sein, dass ich jetzt ein Buch über das Thema geschrieben habe und damit vielleicht das Bewusstsein meiner Leser geschärft habe.
Ihr Buch „Hydromania“ spielt im zukünftigen Nahen Osten. Es handelt vom Wasser, das so rar geworden ist, dass mächtige Konzerne es überall unter ihre Kontrolle gebracht haben. Gleichzeitig scheint es aber um eine ganze Fülle anderer Themen zu gehen, das Alter, die Liebe, die Medien. Was wollen Sie mit dem Buch erreichen?
Ich habe in meinen Büchern immer versucht, Genregrenzen zu überwinden und auch nicht monothematisch zu arbeiten. Ich bezeichne „Hydromania“ als spekulative Fiktion, nicht als Science-Fiction. Es ist eine Geschichte, die sich in 60 Jahren, in der Zukunft abspielt. In einem sehr trockenen Israel. Es geht darin um die Politik des Wassers. Das Wasser ist der Hintergrund für eine Geschichte über Menschen, ihre Gefühle, über Liebe, Eifersucht und Begehren. Das Buch hat aber auch Elemente eines Krimis: Der Mann der Protagonistin Maja, der ein neues, einfaches System der Wasserspeicherung erfunden hat, verschwindet eines Tages spurlos. Das Buch ist demnach wie das Leben selbst, es vereint verschiedene Elemente zu einem gegebenen Zeitpunkt.
Dennoch ist Wasser das Element, das Ihre Geschichte vorantreibt: Wasser, das Öl des 21. Jahrhunderts.
Ich habe vor dem Schreiben viel über Wasser gelesen. Es wurden bereits Kriege um Wasser geführt, zumindest spielte es eine wesentliche Rolle in einigen Konflikten, auch hier im Nahen Osten. Je mehr ich über die Politik des Wassers las, desto interessanter erschien es mir. Außerdem habe ich einen Bruder, der Wasseringenieur hier in Israel ist. Aber das Thema kam gewissermaßen durch die Hintertür. Meine ursprüngliche Motivation war, über die Zukunft Israels, aber auch über meine eigene Zukunft nachzudenken: Wie wird die Welt in 60 Jahren aussehen?
In Bezug auf die Zukunft Israels ist Ihr Buch sehr pessimistisch. Der Staat ist geschrumpft und umfasst am Ende nur noch die Stadt Caesarea und ihre nähere Umgebung. Verstehen Sie das als Warnung oder ganz nüchtern als ein nicht unwahrscheinliches Szenario?
Ich sehe es als Warnung, nicht als Vorhersage. Auch wenn es nicht völlig unwahrscheinlich ist. Ich habe darauf geachtet, nur Entwicklungen zu beschreiben, die auch im Bereich des Möglichen liegen. Und das gilt auch für Israels Grenzen. Wenn Sie 60 Jahre zurückblicken, werden Sie sehen, dass sich die Grenzen alle zehn Jahre geändert haben. Es ist realistisch, anzunehmen, dass das auch für die Zukunft gilt. Wahrscheinlich werden sich die Grenzen noch mehrfach ändern. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Israel so klein sein wird wie von mir beschrieben.
Wie ist Ihre Warnung in Israel angekommen?
Die Kritiker haben das Buch wohlwollend aufgenommen. Interessanterweise haben sich rechte wie auch linke Zeitungen bestätigt gefühlt. Die Rechten sagten: Das Buch beschreibt genau, was die Palästinenser wirklich wollen, denn es wird ein aggressives Palästina beschrieben, das sich nach und nach immer größere Teile Israels einverleibt. Die Linken argumentierten: Dieses Szenario ist möglich, wenn wir uns gegenüber den Palästinensern weiter so verhalten, wie wir es jetzt tun. Wenn wir ihre Unabhängigkeit weiter verhindern, werden sie sich gegen uns wenden.
Zu welcher Interpretation neigen Sie?
Es ist kein Geheimnis, dass ich links stehe und für den Frieden eintrete. Ich habe jüngst die Petition unterschrieben, die eine Untersuchung der Ereignisse in Gaza fordert. Ich schäme mich nicht dafür, aber ich habe das Buch nicht als politisches Manifest geschrieben. Es hat mich aber schon überrascht und amüsiert, als die Rechte das Buch so gut fand.
Zeigt das nicht vielmehr, dass beide Positionen eine gewisse Plausibilität beanspruchen dürfen? Und dass es eben deswegen schwer zu sagen ist, was man tun müsste, damit die von Ihnen beschriebene Zukunft nicht eintritt?
Sie haben recht. Es beweist aber auch, dass es schwer ist, die Meinungen zu verändern, die sich jemand gebildet hat. Weil jedes Ereignis, jede Information so interpretiert wird, dass eine bereits vorgefasste Position bestätigt wird. Das ist eine leicht deprimierende Erkenntnis für jemanden, der nicht zuletzt Bücher schreibt, um die Leute zum Nachdenken anzuregen. Ich bin aber nicht vollkommen pessimistisch: Ich glaube weiterhin, dass die Fiktion die Macht hat, den Lesern neue Perspektiven zu eröffnen. Auch wenn sie vermutlich nicht die Welt verändert.
■ Assaf Gavron ist zu Gast bei den Jüdischen Kulturtagen. Zusammen mit Eshkol Nevo liest er heute um 19.30 Uhr im Jüdischen Museum