herzensort: Viel zu nah und trotzdem glücklich
Ich war noch nie gerne unter Menschen. Genau genommen meine ich: mittendrin, zwischen sehr vielen Menschen, hautnah dran, dicht, vielleicht sogar Oberarm an Oberarm, im schlimmsten Fall schwitzend, textilfrei. Pfui. Und meine Menschenmengen-Aversion wird immer schlimmer. Zu volle Clubs, der Supermarkt am Samstagabend, beliebte Urlaubsziele? Lieber nicht.
Umso erstaunlicher, wenn es alle paar Halbmonde vorkommt, dass ich Gedränge dann doch mal mag. Passiert aber, zuletzt bei einem mittelgroßen Konzert. Mit 500 Leuten in einer Halle, die auch Kleinstadtdisko sein könnte. Ohne Stadion, Feuerwerk, fußballfeldgroße Bildschirme. Ohne Entfernung. Ohne Taylor Swift oder Beyoncé. Da steht man, ungeplant, in der zweiten Reihe, und kann das Teppichmuster unter dem Drumset erkennen. Eingerahmt von Mittelscheitel-Teenies, Bandshirt-Studenten, Hippiewesen. Kein Platz zum Tanzen und kein Abstand zu anderer Leute Oberarme, aber egal. Ich, angeblich Ü30, aber heute wieder 16, als Teil der Menschenmasse. Viel zu nah dran und trotzdem glücklich – oder ausnahmsweise genau deswegen. Lin Hierse
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