: Sorge um Steilshoop
Nach der Gesamtschule droht jetzt auch mehreren sozialen Beschäftigungsprojekten in der Hamburger Hochhaussiedlung das Aus
Von Eva Weikert
Noch ist an diesem Montagmittag hektischer Betrieb im „Café“ am Steilshooper Schreyerring 27. Personal hastet zwischen den Tischen hin und her, Geschirr klappert, die Gäste reden oder lesen in den ausgelegten Zeitungen. Weil sie arbeitslos sind oder von Sozialhilfe abhängen, bekommen die Kunden hier seit bald 20 Jahren Schnittchen auf Berechtigungsschein zu subventionierten Preisen. Doch damit soll jetzt Schluss sein, befürchtet Petra Lafferentz vom Café-Träger Alraune: Die städtische Förderung läuft zum 30. Juni aus.
Lafferentz hatte gestern mit dem Steilshooper Schulleiter Dieter Maibaum und Elternrat Martin Kersting die Presse ins Café geladen. Denn auch die einzige weiterführende Schule im Stadtteil, die Integrierte Gesamtschule (IGS), soll dichtgemacht werden (taz berichtete). „Jetzt sind wir in großer Sorge“, so Maibaum, „dass der ganze Stadtteil vergreist und ein Zusammenleben unmöglich wird.“
Maibaum, Kersting und Lafferentz kannten bereits das Steilshoop der frühen 1990er Jahre, als die aus 20 Hochhausringen bestehende Siedlung im Hamburger Nordosten schon einmal „sozial zu kippen drohte“, wie sie sagen. Damals brachten Schlagzeilen über Ghetto-Kids und eine vor der IGS gezündete Rohrbombe das Quartier in Verruf. „Jetzt haben wir wieder die Befürchtung, dass der soziale Friede bricht“, warnt Elternratsvorsitzender Kersting. Grund dafür sei die Politik des CDU-Senats, „der die Rückkehr zum sozialen Brennpunkt verordnet hat, indem er die Steilshooper Infrastruktur weggkürzt“.
Dazu gehört auch das Café in einem der Hochhäuser – „einer der wenigen Orte im Stadtteil, wo man sich zivil hinsetzen kann“, so Kersting. Alraune betreibt den Treffpunkt wie auch eine Kneipe für Jugendliche und die IGS-Mensa seit Jahren mit Arbeitslosen. Diese haben nach Abschaffung der ABM zum Jahreswechsel heute Zwei-Euro-Jobs bei dem Beschäftigungsträger. Bei der aktuellen Ausschreibung der Maßnahme durch die Wirtschaftsbehörde droht er jetzt leer auszugehen. Denn weil Alraune anders als viele Mitbewerber eigene Betriebsstätten mit Arbeitsanleitern betreibt, ist er teurer.
Ende 2004 hatte schon der Steilshooper Beschäftigungsträger Abakus wegen der Umstellung der Fördermaßnahmen auf Ein-Euro-Jobs aufgegeben. Wie es ab Juli für Alraune, seine 135 Jobber und 20 Festangestellten weitergehe, wisse sie nicht, so Lafferentz. Amtsleiter Bernhard Proksch erklärte gegenüber der taz: „Wir prüfen noch.“
„Bedrückendster“ Einschnitt für Steilshoop, warnt indes Elternrat Kersting, sei die IGS, ohne die das Quartier auf Weisung von Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) künftig auskommen soll. Dabei ist ein Fünftel der 20.000 Steilshooper jünger als 18. Gerade das Angebot einer Integrierten Gesamtschule habe sich hier, wo viele Kinder mit Migrationshintergrund leben, als erfolgreich erwiesen, sagt IGS-Chef Maibaum. Würde die Schule geschlossen, müssten die Absolventen der drei örtlichen Grundschulen weite Wege auf sich nehmen. „Zugleich“, meint der Direktor, „würde Steilshoop zur Schlafstadt verkommen.“
Eingeläutet wurde das „kulturelle“ Aus bereits mit der Verkleinerung der Steilshooper Zweigstelle der Öffentlichen Bücherhallen, wie Maibaum beklagt. Der Medienbestand sei von 20.000 auf 14.000 Stück reduziert worden, die Büchereifläche von 1.000 auf 175 Quadratmeter geschrumpft. „Steilshoop hat das gleiche Recht auf kulturelle Einrichtungen wie andere Hamburger Stadtteile“, mahnt auch Kersting. Er und seine beiden Mitstreiter forderten den Senat auf, Steilshoop „wieder ernst zu nehmen und eine aktive Stadtteilpolitik anzugehen“.