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Archiv-Artikel

Härtefall-Lotto: zwei zu eins

Grüne werfen Innensenator vor, bei Flüchtlingsschicksalen russisches Roulett zu spielen. Nur in zwei von drei Fällen folgt Körting dem Votum der neuen Härtefallkommission

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) spricht von einem „zufrieden stellenden Ergebnis“. In 140 Fällen hat sich die Berliner Härtefallkommission seit In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes zu Beginn des Jahres gegen eine Abschiebung ausgesprochen. In 89 Fällen – knapp zwei Dritteln der Fälle – ist die Innenverwaltung dem Votum der Kommission gefolgt. Laut Körting handelt es sich dabei zumeist um Familien „mit etlichen Kindern“, die nun in Deutschland bleiben dürfen, ohne einen Rechtsanspruch darauf zuhaben. Was die 51 abschlägig beschiedenen Fälle betrifft, sagte Körting, er hoffe, dass „die Diskrepanz“ zwischen dem Ersuchen der Kommission und der Entscheidung der Innenverwaltung „geringer wird.“

Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz arbeitet die Härtefallkommission erstmals auf einer gesetzlichen Grundlage. Dass aus Vertretern der Wohlfahrtsverbände, Kirchen, des Flüchtlings- und Migrationsrat sowie des Senats bestehende 7-köpfige Gremium kann aus humanitären Gründen für ein Bleiberecht plädieren, auch wenn der Flüchtling laut Rechtslage keinen Anspruch darauf hat. Die letzte Entscheidung hat allerdings der Innensenator.

Und genau da liegt der Hund begraben. Sie könne Körtings Entscheidungen gegen die Voten der Kommission nicht nachvollziehen, sagte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Jasenka Villbrandt, gestern. „Das erscheint wie russisches Roulett.“ Im Innenausschuss forderten die Grünen erneut ein Härtefallkommissionsgesetz – um die Kriterien für Härtefälle demokratisch erörtern zu können. Der Antrag wurde aber von SPD, PDS und CDU abgelehnt.

Körting warf den Grünen vor, das Verfahren automatisieren zu wollen. Dabei gehe es doch gerade nicht darum, sich an einheitliche Kriterien zu binden, sondern Einzelfallentscheidungen zu treffen. „Es gibt keinen Grund für Korrekturen.“ Das große Problem sei, dass es im Zuwanderungsgesetz keine Bleiberechtsregelung für „Altfälle“ gebe, sagte Körting. Allein in Berlin leben mehrere tausend Flüchtlinge aus dem früheren Jugoslawien und dem Libanon. Den Aufenthalt dieser Menschen über die Härtefallkommission regeln zu wollen habe aber keinen Sinn.

Er werde sich bei der Innenministerkonferenz (IMK) zum wiederholten Mal für eine Gruppen-Bleiberechtsregelung einsetzen, kündigte der Senator an. Große Hoffnung auf Erfolg macht er sich indes nicht. Bis zu der Bundestagswahl im September werde sich wohl nichts mehr bewegen. Vielleicht habe sich im Winter eine „nüchternere Betrachtungsweise“ durchgesetzt.

PLUTONIA PLARRE