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Archiv-Artikel

Achtung, Baustelle!

Intendanten haften für ihre Sender: Die ARD verkündet heute, wie es mit Schleichwerbung, Magazin-Kürzung und Verfassungsklage weitergeht

Ihre Zuschauerhat die ARD in den vergangenen Jahren schlicht vergessen

VON STEFFEN GRIMBERG

Thomas Gruber hat heute Nachmittag einen schweren Job: Wenn der Intendant des Bayerischen Rundfunks im Saal 2 des Park Hotels Bremen in seiner Eigenschaft als amtierender ARD-Vorsitzender nach der Intendantensitzung vor die Presse tritt, geht es schließlich um nichts Geringeres als die Glaubwürdigkeit des Senderverbunds.

Schleichwerbungsskandale. Verfassungsklage wegen der von Ministerpräsidenten eigenmächtig abgesenkten und verschobenen Gebührenerhöhung. Kürzung der Politmagazine um 15 Minuten und generelle Programmüberholung. – Die ARD ist eine Baustelle.

Dummerweise ist man sich intern alles andere als einig. Höchstens in Sachen Schleichwerbung gelingt noch der Schulterschluss: Bestürzt reagierten die Hierarchen auf Recherchen des Fachdienstes epd Medien und des Journalistenverbandsmagazins Journalist, die jahrelange inhaltliche Einflussname zu Werbezwecken bei der überwiegend ARD-eigenen Produktionsgesellschaft Bavaria aufdeckten. Bezahlpraxis bislang unklar, selbst „persönliche Bereicherung“, so Bavaria-Aufsichtsratschef Reinhard Grätz, wird nicht ausgeschlossen. Jetzt taucht auch bei der zum SWR gehörenden Maran Film Schleichwerbung auf – immerhin vom Sender selbst nach eilig anberaumter Überprüfung festgestellt. „Wir haben bisher zwei Fälle gefunden, weitere schließe ich nicht aus“, zitierten die Stuttgarter Nachrichten gestern SWR-Intendant Peter Voß. Beim MDR, der das ARD-weit wohl ausgefeilteste System verschachtelter Tochterfirmen unterhält, sorge man sich ebenfalls um jetzt unausweichliche Nachfragen, sagt ein Redakteur, der ungenannt bleiben möchte. Dabei geht es weniger um Schleichwerbung als um die kommerziellen Aktivitäten der gebührenfinanzierten Anstalt an sich.

Genau hierfür interessiert sich auch gerade die EU-Kommission. Sie prüft, ob die Gebühren bei so viel ARD-Kommerz nicht unerlaubte Beihilfen darstellen. Fest steht zumindest eins: Bisher werden diese wirtschaftlichen Umtriebe nur durch die Anstaltsgremien kontrolliert. Und diese Kontrolle hat – siehe Schleichwerbung – versagt.

Mit der Gebührenfrage verwoben ist die geplante Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Großanstalten NDR und WDR wollen, der SWR ist nicht abgeneigt. Rechtlich möglich ist das Ganze: Die Ministerpräsidenten haben das vom Verfassungsgericht 1994 festgelegte Verfahren zur Ermittlung der Gebührenhöhe umgangen. Doch ist so ein Schritt sinnvoll?

Markus Schächter, ZDF-Intendant und in Sachen Medienpolitik stets etwas handzahmer, hat jedenfalls schon angekündigt, nicht mit der ARD nach Karlsruhe zu ziehen. „Finden Sie es irgendwie überraschend, dass Herr Schächter mit der Politik spricht, sich nach deren Wünschen richtet und danach von den Politikern gelobt wird?“, frotzelte NDR-Chef Jobst Plog am vorvergangenen Wochenende bei der Jahrestagung des Netzwerks Recherche und setzte noch eins drauf: Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sei als Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat ja quasi der „oberste Dienstherr“ von Schächter. Und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der als Chef der Medienkommission der Länder mal wieder um einen Kompromiss ringt, ein „Multifunktionär“.

Wie gut, dass es da zur Ablenkung noch den Konflikt namens Programmreform gibt: Die „Tagesthemen“ sollen 2006 schon ab 22.15 Uhr senden und so wieder mehr Zuschauer erreichen. Doch die leidige Frage nach Zukunft und Sinnhaftigkeit der Politmagazine von „Monitor“ bis „Fakt“, die dafür von 45 auf 30 Minuten gekürzt werden sollen, erhitzt die Gemüter.

Genau hier könnte eine kontroverse ARD-Diskussion produktiv ansetzten. Schließlich haben diese Sendungen kein Längenproblem, sondern sind inhaltlich und vom Konzept her im Keller. Hier trifft denn auch das Detailproblem „Magazine“ wieder auf das große Ganze: Die Gebühren zahlenden ZuschauerInnen und ihre Bedürfnisse hat die ARD in den vergangenen Jahren schlicht eher – vergessen. Ob sie die ausgerechnet in Bremen bei so viel schönem internem Hickhack wiederfindet? Besser wär das.