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Archiv-Artikel

Doch lieber ein Lager, das sich für was Besseres hält?

Rot-Grün, wir danken dir (11): Schwere Fehler hat diese Regierung gar nicht gemacht – und doch dies Stolpern kurz vor Abschluss des Marsches durch die Institutionen. Rätselhaft!

Immer noch steht man wie unter Schock, nicht wahr? Es sollte doch wenigstens drei Legislaturperioden dauern, bis das andere Lager wieder an die Macht käme.

Dann hätte das unsere bewiesen, dass es keineswegs grundsätzlich auf Opposition abonniert ist, auf das Besserwissen und Rechthaben, wie es sich am ansehnlichsten in Talkshows und Leitartikeln und Leserbriefen ausgibt. Rot-Grün sollte zeigen, dass es mit der Regierungsmacht verantwortlich und erfolgreich umzugehen versteht, Rückschläge und Niederlagen eingeschlossen; damit wäre der lange Marsch durch die Institutionen – wie die prägnante Formel des im Übrigen so konfusen Rudi Dutschke lautete – abgeschlossen. Der Wähler könnte von Fall zu Fall entscheiden, wem er die Regierung, wem er die Opposition anvertraut; es gäbe keine strukturelle Majoritätsfraktion mehr und kein linkes/alternatives Lager, das sich ohnehin draußen und für was Besseres hält.

Aber so ist es nicht gekommen. Die Schwarzen, sinnierte mein alter Freund Theckel, als wir nach dem Kino über unseren Bieren saßen, die Schwarzen wissen einfach besser, wie man an die Macht kommt und sie behält. Das ist der Gestus, mit dem sie immer auftreten, wir wissen, wie man regiert; wir machen das seit Olims Zeiten, im Guten wie im Schlechten. Dafür brauchen wir keine speziellen Programme, die zustimmungsbedürftig wären. Gebt uns einfach die Regierungsmacht. Sie steht uns sowieso zu.

Dabei haben, melancholisierte mein alter Freund Theckel in sein Bier hinein, weder die Roten noch die Grünen so gründliche Fehler gemacht, dass ihre Regierungskompetenz in Zweifel stünde. Wenn ich daran denke, wie die Jusos und die Parteilinke den Bundeskanzler Schmidt traktiert haben … Wegen des Nachrüstungsbeschlusses aus der Nato austreten … So etwas fehlte diesmal durchaus; stoisch nahmen sie den Kosovo- und den Afghanistaneinsatz auf sich, und die Einsprüche aus den eigenen Fraktionen bezeugten bloß die Normalität, dass man solche Entscheidungen nicht stromlinienförmig durchsetzen kann. Das gilt schon gar für die Reform des Sozialstaats – ist doch klar, dass im Regierungslager selbst die Enteignung der Ackermänner zugunsten der Arbeitslosen gefordert wird. Was halt sinnlos ist, aber Verantwortungsgefühl bezeugt.

Es war der Wähler, der Rot-Grün von Anfang an, gleich nachdem er die Regierung Schröder/Fischer installiert hatte – und das zwei Mal –, ablehnte. Und das mit einer Stringenz und Folgerichtigkeit, die mir unverständlich bleiben. Die Gründe, die Sie jetzt mit Gusto auflisten, als wäre es sonnenklar, leuchten mir alle nicht ein; schauen Sie sich mal die öffentliche Laune nach der zweiten Legislaturperiode von Dr. Kohl an. Heftige Einwände und Widersprüche werden auch die Maßnahmen der nächsten Regierung wie ein Fluidum einhüllen, das ist die Normalität. Bloß führt das bei den anderen nicht gleich zu schweren Wahlniederlagen. Und das ist rätselhaft. MICHAEL RUTSCHKY