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Archiv-Artikel

Kippengeld in der Politik

Die Tabakprävention läuft in Deutschland nur äußerst schleppend an. Die Industrie zeigt sich großzügig

Bei der Tabak- und Präventionspolitik tut sich die Bundesregierung offenbar schwer. Seit Anfang des Jahres ist beispielsweise eine EU-Richtlinie in Kraft, nach der Tabakwerbung verboten werden soll. Doch erst im Mai wurde ein entsprechender Gesetzentwurf auf den Weg gebracht – nachdem Deutschland die EU-Richtlinie zuvor jahrelang erfolglos bekämpft hatte. Auch beim Thema Suchtprävention für Kinder und Jugendliche zeigen sich noch keine wirklich großen Erfolge. Zudem steht die dritte Stufe der Tabaksteuererhöhung auf der Kippe, seit tatsächlich weniger Zigaretten gekauft werden und die Steuereinahmen zurückgehen.

Bei so viel Zurückhaltung lässt die Zigarettenindustrie auch gerne mal was springen: 19.725 Euro spendete der Tabakkonzern Philip Morris 2002 an die SPD. Auch der Verband der Cigarettenindustrie (vdc) zeigte sich großzügig: Vor zwei Jahren überwies die Interessenvertretung der Zigarrettenhersteller 15.900 Euro auf das SPD-Spendenkonto. Bei der CDU durfte man sich vor drei Jahren über 30.475 Euro von Philip Morris freuen. Deutlich mehr als 2001. Damals spendete der Tabakmulti 35.000 D-Mark an die CDU und 30.000 D-Mark an die SPD.

Auch andere Großkonzerne und Interessenverbände spenden großzügig an Parteien. Aber die Tabakindustrie finanziert gleich ganze Regierungsprogramme mit. So lässt sich das Bundesgesundheitsministerium (BMGS) die Präventionskampagne „Rauchfrei“ gut zur Hälfte vom vdc bezahlen. Veranstaltungen, Prospekte und Anzeigen sollen dabei Kinder und Jugendliche auf die Gefahren des Rauchens aufmerksam machen. 11,8 Millionen Euro aufgeteilt über fünf Jahre gibt der Verband dafür aus. Lobenswert, könnte man meinen. Aber der vdc hat seine Zuwendungen an Bedingungen geknüpft. „Die Maßnahmen dürfen nicht die Zigarettenindustrie, deren Produkte oder den Zigarettenhandel diskriminieren oder den erwachsenen Raucher verunglimpfen“, heißt es in der Vereinbarung zwischen vdc und dem BMGS. „Das haben wir sowieso noch nie gemacht, das ist also für uns gar kein Hindernis“, sagte dazu eine Sprecherin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die die Kampagne verantwortet.

Auch beim SPD-Parteiblatt Vorwärts ist man offenherzig. Seit Jahren wird das Vorwärts-Sommerfest auch vom vdc gesponsert. „Queerbeet durch alle Parteien gibt es doch Politiker, die vor der Kamera rauchen“, heißt es dazu aus dem Verlag. Den vdc dann nicht als Sponsor auftreten zu lassen, wäre „eine Moral mit doppelten Boden“. Dass der vdc das Sommerfest mitfinanziert, sei auf keinen Fall eine Diskrepanz zu laufenden Präventionsbemühungen. „Niemand will die Hand des Spenders beißen“, sagt dazu Johannes Spatz von der Lobbygruppe „Forum Rauchfrei“ in Berlin. Das zeige, dass Prävention und Jugendschutz nicht ernst genommen werden. PHILIPP DUDEK