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Archiv-Artikel

Der Eierlikörtorte fehlt der Kultstatus

Schnaps wird teurer, weil die Deutschen zwar beständig, aber aus Sicht der Spirituosenindustrie zu wenig trinken

FRANKFURT taz ■ Der gebrannte Alkohol wird teurer werden, weil die Benzinpreise, die Löhne und Steuern steigen, weil die Verbraucher sparen und der Absatz deshalb seit Jahren stagniert. Das verriet Verbandspräsident Wilfried Mocken gestern erst gegen Ende der Jahresbilanzpressekonferenz im Frankfurter Steigenberger Hotel Metropolitan. Vorher hatte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Spirituosenindustrie und -importeure (BSI) einen „ganz dramatischen Umbruch“ in seiner Branche angekündigt.

Viele Betriebe würden aufgekauft, der Markt konzentriere sich. Zudem bestimmten die Lebensmittelkonzerne immer mehr die Preise auf dem Weltmarkt. Und die Discounter böten keine Markenprodukte an. Das alles mache, so erklärte Mocken, den mittelständischen deutschen Unternehmen, die teils noch in Familienbesitz sind, schwer zu schaffen. Dazu gehören etwa Berentzen, Eckes oder Schladerer. Mocken plädierte dafür, trotzdem bodenständig zu bleiben und vor allem erst einmal im deutschsprachigen Raum zu expandieren. Dort seien immerhin auch 100 Millionen Verbraucher zu versorgen: „Wir müssen nicht nach Mexiko oder China.“

Allerdings, so räumte er ein, habe man nach einer Glanzzeit in den Nachkriegsjahren bis 1980 den Anschluss verpasst und es weder auf dem europäischen Markt noch darüber hinaus geschafft, heimische Marken auch in anderen Ländern bekannt zu machen. Daran habe auch ein kurzfristiges Hoch nach dem Fall des Eisernen Vorhanges ab 1990 nichts geändert. Damals sei der Bedarf in den osteuropäischen Ländern auf einmal enorm gewesen: „Wir haben Unmengen Wodka in die UdSSR exportiert.“ Das aber sei vorbei, weil die russischen Gesetze dem einen Riegel vorgeschoben hätten.

Aber es gebe auch Gewinner. Jägermeister habe es zum internationalen Kultstatus geschafft – und werde vor allem in den USA „gerne getrunken“. Innovation sei das Gebot der Stunde, das nun auch bei der Deutschen Spirituosenindustrie greifen müsse. Gegen mexikanische Importe wie Tequila und Cachaca setzte er die Eierlikörtorte von Verpoorten.

Insgesamt trinken die Deutschen immer noch am liebsten Bier. Die Statistik verzeichnete 2004 einen Pro-Kopf-Konsum von 116 Litern, gefolgt von Wein mit 20,1 Litern. Der BSI weist die Bundesbürger allerdings auch als beständige Konsumenten von Klaren, Likören und Branntweinen aus. 69 Prozent der Haushalte kauften 2004 mindestens einmal Spirituosen, die damit noch immer zu den zehn umsatzstärksten Warengruppen gehören. Der Pro-Kopf-Konsum reduzierte sich dabei um 0,1 auf 5,8 Liter und summierte sich zu 776 Millionen 0,7-l-Flaschen im Jahre 2004. Damit bleibt der deutsche Umsatz weiterhin der größte in der Europäischen Union. Im Einzelhandel wurden 2,7 Milliarden Euro umgesetzt.

Der Gesamtmarkt, so Mocken, „folgt den Konjunkturgesetzen“. Er verzeichnete 2004 einen Rückgang von 3,5 Prozent, bei Alkopops rapide um 40 Prozent. Eigentlich seien sie schon seit dem Sommer 2003 aus der Mode gekommen. Mocken warnte vor „viel gefährlicheren Produkten“ wie alkoholhaltigen Brausetüten: „Die muss man im Sinne des Jugendschutzes verbieten!“ Ansonsten setze der Verband „nicht auf Reglementierung, sondern auf Eigenverantwortung und Prävention“. Alkoholhaltige Getränke seien „in unserem Kulturkreis von Alters her unverzichtbare Elemente einer lebendigen Genusskultur“. Mit einem Werbe- oder gar einem Alkoholverbot rechnete Mocken nicht. Das sei schon wegen der Steuereinnahmen von über 2.000 Millionen Euro „völlig unrealistisch“: „Aber man wird uns sicher weiter quälen.“ HEIDE PLATEN