Obst singt mit

Nicht ohne meinen Tamburin-Mann: Es passierte viel beim Konzert von Beck Hansen in Huxleys Welt

Beck Hansen gilt im Moment wohl nicht als besonders hip: Das Berlinkonzert war vom Tempodrom ins viel kleinere Huxley’s verlegt worden. Doch wer Dienstagabend nicht beim Konzert war, hat einiges verpasst.

Das Konzert fängt mit „Devils Haircut“ gut an, der Gitarrenriff kracht, die Beats scheppern, und Beck legt seinen Sprechgesang drüber. Als Beck um 1997 mit „Odelay“ am gleichen Ort spielte, war man noch voller Bewunderung seiner Arbeitstechnik: Wie der alles zusammenmischt, eben noch Folkgitarre, kurzes Scratchen, dann ein Bluesriff und jetzt die scheppernden HipHop-Beats! Man verehrte Beck so, als habe er das Popzitat erfunden, als könne nur er Genregrenzen überschreiten. Heute wirken das Samplegewitter, die Zitatsucht und manche Keyboardsounds fast anachronistisch.

Auf der Bühne ist viel Perkussion und Elektronik aufgebaut, und tatsächlich kommt manches vom Sampler. Das unterstreichen Beck und der Tamburin-Mann auch visuell, wenn sie beim Banjosolo von „sexx laws“ demonstrativ Playbacktänze am unverstärkten Instrument vollführen. Überhaupt, der Tamburin-Mann! Wie kürzlich schon beim Arcade Fire Konzert beobachtet, sagt wohl ein neues Modegebot, dass eine Band mindestens einen durchgeknallten Tamburintänzer braucht! Bei „Black Tambourin“ fing der seriös gekleidete Perkussionist an durchzudrehen, unterhielt die Menge mit seinem Tanzstil aus eckigen Luftsprüngen, abgehackten Bewegungen, Robot-Style und anderen lustigen Idioterien.

So wurden unter tänzerischer Begleitung alle bekannten Beck-Hits der letzten fünf Alben aufgeführt. Sogar „Loser“, die so genannte Slacker-Hymne, sang Beck, ohne die dämlich Popstar-Attitüde „Ich mag meine alten Hits nicht mehr spielen“. Beck Hansen wurde im Lauf des Konzerts immer sympathischer. Zwar hatte ja Adam Green im taz-Interview ausgeplaudert, dass Beck ihn zu den Scientology bekehren wollte … Aber was einen Tom Cruise noch unsympathischer macht, kann man einem Beck Hansen schon mal nachsehen.

Was für eine guter Arbeitgeber er auch ist! Nachdem ausgiebig musiziert wurde, darf sich die Band am gedeckten Tisch, an Obstschalen und gefüllten Gläsern niederlassen, während Beck ein paar Songs auf der akustischen Gitarre spielen will. Weil ihm partout kein eigenes Lied einfällt, spielt er Flaming Lips und Daniel Johnston, plaudert mit den Fans, improvisiert nach Zuschauerwünschen. Dann plötzlich legen die Musiker und Perkussionisten am Tisch los, sie schlagen Gläser an, reiben Glasränder, hauen mit dem Besteck auf die Tischkante, das Ganze wird auf die Videoleinwand übertragen, der Tisch ist natürlich mikrofoniert – ein schönes Bild und ein ganz besonderes Klangerlebnis.

Es passiert noch einiges an diesem Abend. Die neue Single „E-PRO“ wird gespielt, die Leute springen auf und ab, der Tamburin-Mann dreht völlig durch, die Band kommt mit ausknipsbaren Leuchtanzügen …

Nach zwei Stunden gehen sie dann einfach von der Bühne, aber vielleicht wollte Beck sich doch noch mit Tom Cruise treffen, der war ja am Dienstag auch in der Stadt.

CHRISTIANE RÖSINGER