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Archiv-Artikel

Lächerlich gemacht

Die Zeitung „Hürriyet“ stichelt erneut gegen Anwältin Seyran Ateș. Weil sie die türkische Frau „beleidigt“ habe

Sie kann ja nicht ernsthaft erwartet haben, dass die Tageszeitung Hürriyet, die populärste bei türkischstämmigen Deutschen und Migranten, mit ihr in jeder Hinsicht wohlwollend oder gar sympathisierend umgeht: Seyran Ateș ist nie allen wohl und niemand weh. Die einen sagen, sie provoziere, die anderen finden, sie weise auf Missstände hin. „Multikulti ist verantwortungslos“, sagte die 42-jährige Menschenrechtsanwältin aus Berlin der taz vor Monaten – und erntete viele Buhrufe aus der türkische Community, aber besonders gehässig hielten es die „Multikultifanatiker“ in der deutschen Ureinwohnerschaft: Man zieh sie des Rassismus und gar des Selbsthasses ob ihrer türkischen Wurzeln.

Hürriyet hat sich im Schmäh selbst nicht zurückgehalten – im Gegenteil. Das Blatt, selbst von der Linie unentschieden, ob es den türkischen Nationalismus lind halten soll, um Europa nicht zu verschrecken, oder ihn krass bedienen, um die Leserschaft in Deutschland als gefühlte Opfer bei Laune zu halten, behauptet wenig zimperlich, Seyran Ateș diskreditiere die türkische Frau. Davon abgesehen habe Ateș ihre Äußerungen in der taz dementiert – was die Anwältin umgehend dementierte und doch in keiner redaktionellen Entschuldigung Echo fand.

Ateș jedenfalls hat nie behauptet, jede türkische Frau präferiere Analverkehr, um sexuelle Schande von sich zu weisen – das so genannte Jungfernhäutchen schützend. Aber sie beharrte darauf, dass manche es tun, um die patriarchalen Wünsche ihrer Familien zu unterlaufen.

Diskreditiert? In der Ausgabe vom Montag nun hat die Hürriyet Ateș gar regelrecht verspottet: Zunächst hämte das Blatt über den Misserfolg einer Frauendemo voriges Wochenende im Berliner Multikultibezirk Neukölln, den Ateș, so wird suggeriert, sich selbst zuzuschreiben habe. Die geringe Zahl der Frauen las sich in der Zeitung so: „Seyran hat keine Frau gefunden, die sie retten kann.“ Ateș zur taz: „Wir wollten vor allem ein Zeichen setzen, wir wussten, dass nicht jene kommen werden, die Opfer werden. Ein Misserfolg war es jedenfalls nicht – schön war, dass diese Demo viele Fraueninitiativen zusammengebracht hat.“ Weiter aber im Blatt: Ateș habe „die türkische Frau“ beleidigt – das aber ist ein riskanter, unverhüllt aggressiver Anwurf.

Denn in der türkischen Kultur, wie das Publikum der Hürriyet sie schätzt, ist nichts so herabsetzend wie eine Beleidigung, zumal in puncto moralische Integrität. Ateș: „Ich finde diese Berichterstattung für mich gefährdend. Hürriyet weiß das auch.“JAN FEDDERSEN