Ein Paradox auf zwei Beinen

betr.: „Die traurigen Grünen“, von Micha Brumlik, taz vom 11. 6. 05

Die Grünen sollten Brumliks Worte vom linksliberalen, wertkonservativen Paradox positiv aufnehmen: Genau deswegen sind nämlich die Grünen die Partei der Zukunft, weil sie ihre linke Wurzel mit ihrer wertkonservativen Wurzel versöhnt haben und aus diesem scheinbaren Paradoxon die Zukunft gestalten. Und dann kann der Wähler entscheiden, ob er lieber eine solche linke Partei wählt oder lieber eine Linke mit einer reaktionär/staatsautoritären Wurzel à la PDS. MATTHIAS SCHULTE-HUERMANN, Sundern Stockum

Dass die gegenwärtige grüne Führung ihre Chance auf Erneuerung nicht wahrnehmen will, ist ja richtig beobachtet, aber nur vom Standpunkt eines nicht mehr auf der politischen Bühne selbst Engagierten, der lieber aus der Distanz das Verhalten der anderen auf die psychoanalytische Couch legt, um es zu zerlegen. Das kann jeder, und es sagt rein gar nichts.

Leider nimmt Brumlik nicht den Standpunkt der Basis ein, die mit dem Münsteraner Appell diese in Wirklichkeit nicht psychologisch, sondern aus Besitzstandswahrung zu erklärende Lernverweigerung der Regierungsetage angreift, und zwar konstruktiv durch Erinnerung an die Beschlusslage der Partei. Die Fehleinschätzung des Schlusssatzes ist bei Brumlik erstaunlich: Sieht er denn nicht, dass gerade das Paradox des linken Wertkonservativismus die große Stärke der Grünen von Anfang an und dann später auch der Bündnisgrünen war und ist? Mehr noch, dass der Mensch überhaupt ein Paradox auf zwei Beinen und mit zwei Seelen ist?

FRANK MIETHING, Berlin

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