: Eine Erkunderin der Welt
Zwei der Dinge, die man über Felicitas Hoppe, die neue Büchnerpreisträgerin, wissen muss, wirken jetzt auch schon wieder so ausgedacht. Erstens, dass „Pinoccio“ ihr Lieblingsbuch ist. Das Märchen mit dem Lügenhelden – das passt einfach zu gut auf eine Autorin, die sich in ihrem aktuellen Roman „Hoppe“ eine fiktive Traumbiografie zurechtschrieb und von der Büchnerpreis-Jury laut Begründung ausdrücklich für ihre Erkundung der „Welt der Abenteurer und der Hochstapler, der Entdecker und der Taugenichtse“ ausgezeichnet wurde.
Zweitens, dass sie das erste mit Literatur verdiente Geld – 1996 mit dem Erzählungsband „Picknick der Friseure“ war das – gleich für eine große Reise ausgegeben hat. Auf einem Containerschiff reiste sie um die Welt und beschrieb das Erlebte in ihrem ersten Roman, „Pigafetta“ (1999). Das klingt wiederum wie für eine interessante Autorenbiografie erfunden. Aber beide Dinge stimmen. Und es stimmt auch, dass man sich über ihre Auszeichnung mit dem wichtigsten deutschen Literaturpreis sehr freuen kann. Der spielerische Ernst dieser Autorin kann großen Spaß machen, etwa in ihren Romanen „Paradise, Übersee“ (2003) und „Johanna“ (2006).
Hoppe wurde 1960 in Hameln geboren. Sie hat lange herumstudiert. Dies und das: Literaturwissenschaft, Rhetorik, Religionswissenschaften, Italienisch, Russisch. Hier und da: Hildesheim, Tübingen, Eugene (USA), Berlin, Rom. Vor ihrem literarischen Debüt schlug sie sich als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache durch und als Kulturjournalistin. Seit 1996 lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin – wenn sie nicht gerade auf Reisen oder als Stadtschreiberin unterwegs ist.
Zuletzt war sie Writer in Residence in Washington, New York und Innsbruck. Und für die taz hat sie im Jahr 2000, als sie mit einem Schriftstellerzug namens Literaturexpress durch Europa fuhr, mal Postkarten geschickt, die wir mit Vorder- und Rückseite abgedruckt haben, aus Lissabon, Madrid, Bordeaux, Paris, Brüssel, Dortmund, Hannover, Kaliningrad, Riga, Tallinn, St. Petersburg, Moskau, Brest und Warschau. Sie kommt ganz schön herum und hat das Notizbuch immer dabei. „Man muss eigentlich immer aufmerksam sein, und dann begegnen einem unglaublich viele Dinge, aus denen man dann mithilfe der Fantasie etwas Neues macht“, so hat sie nach der Bekanntgabe des Preises ihre Poetik beschrieben. Und das ist nun ganz bestimmt nicht ausgedacht.
DIRK KNIPPHALS