: Jukebox
Jeder verdient seine zweite Chance. Auch Karel Gott
Ja. Genau der. Das Goldkehlchen aus Prag. Karel Gott. Der im Allgemeinen ja weniger wertgeschätzt wird, zumindest in Kreisen, die sich was auf ihren musikalischen Geschmack einbilden. Und da ist was dran. Schließlich hat Gott neben seiner „Biene Maya“ noch viele andere schreckliche Sachen gesungen. Da gibt es nichts zu diskutieren. Andererseits aber entstammt Karel Gott auch der Notökonomie des einst real existierenden Sozialismus, da musste man sich eben behelfen. Und Karel Gott half, so weit er konnte. Im Land gab es keine Beatles? Dann machte eben Gott den Job. Dazu war er in den Sechzigern neben seiner eigentlichen Gott-Tätigkeit in Personalunion auch noch Prags Frank Sinatra, er war der Elvis von der Moldau. Und auch die Rolling Stones.Wirklich wahr. Deswegen ist diese Kolumne heute ein konkreter Fall von Lebenshilfe. Denn auf „In mir klingt ein Lied“ ist sie drauf, die Coverversion von „Paint it Black“. Gott hat daraus „Rot und schwarz“ gemacht. Er singt also in Deutsch, und dazu schluchzt ein Teufelsgeiger, bevor er in der Hölle seine Verhandlungen aufnimmt. Unbedingt ein Muss-man-haben-Stück, das man jetzt für teures Geld beim einschlägigen Fachhandel suchen gehen kann. Oder eben für einen lumpigen Euro auf dem nächsten Flohmarkt kaufen. Denn dort steht die Platte häufig rum. Weil Gott eben so wenig Freunde hat.
Was ein wenig für alle Musiken gilt, die aus Tschechien kommen. Hat mit der hiesigen Westhörigkeit zu tun. Dagegen weitere vier Platten, mit denen man nichts falsch macht: Zuerst natürlich eine von The Plastic People Of The Universe, die ewige Underground-Legende. Auch Václav Havel schwörte auf sie. Und eine von Iva Bittova & Pavel Fajt. Strenge Kammermusikfolklore. Reduziert. Ungemein dramatisch. Dann Dunaj. Zerschlissener Postpunk, dunkler als jedes schwarze Theater. Und was von Už Jsme Doma, die mit ihrer Mutanten-Musik den Veitstanz der Ohnmacht tanzen. Allerböseste Polka. Solche Sachen finden sich dann selten auf den Flohmärkten, aber dafür darf man letztere Band heute Abend live hören, in der Kulturbrauerei, bei der Bohemian Night. Eine lange Nacht der tschechischen Kultur, ab 18 Uhr und für zehn Euro mit Filmen, Lesungen, Tanztheater und eben nach 22 Uhr Už Jsme Doma.
Wer da hingeht, macht eigentlich nichts falsch. Muss vielleicht nur noch gesagt sein, dass die Band nicht wirklich so wie Karel Gott klingt. THOMAS MAUCH