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Archiv-Artikel

„Der Confederations Cup ist überflüssig“

Der Buchautor Franklin Foer erklärt im taz-Interview die Auswirkungen der Globalisierung auf den Fußball

Der New Yorker Franklin Foer, Bruder des Erfolgsschriftstellers Jonathan Safran Foer, ist politischer Journalist in Washington für die Wochenzeitschrift „The New Republic“. Letztes Jahr veröffentlichte Foer das Buch „How Soccer Explains the World“, das im März 2006 in Deutschland erscheint. Es ist ein Reportageband über die Fans europäischer und südamerikanischer Clubs. Foers Interesse am Fußball ist allerdings zuvorderst politisch: Foer fragt, wie sich die Globalisierung auf den Fußball auswirkt.

taz: Herr Foer, in Deutschland hat gerade der Confederations Cup begonnen. Was halten Sie von diesem Turnier?

Franklin Foer: Es ist überflüssig. Der Kalender ist ohnehin schon übervoll.

Sind im Zuge der Globalisierung nicht die Nationalmannschaften insgesamt überflüssig – und somit auch Welt- und Europameisterschaften?

Ich denke, diese Turniere werden ihr Prestige behalten, schon weil sie enorme Spektakel sind. Können Sie sich eine Welt ohne Fußball-WM vorstellen? Sicher, die ökonomische Struktur des Fußballs ist globalisiert, die Vereine sind multinational, das Fußballgeschäft kennt keine Grenzen. Die Faszination der WM und EM zeigt aber, dass die Wirtschaft nicht alles ist. Das Bedürfnis nach Identifikation und Identität geht nicht weg.

Und Fußball ist der Ort, an dem sich dieses Bedürfnis am besten abarbeiten kann?

Nein, wir haben ja auch noch die Religion oder einen starken Nationalismus, wie etwa in den USA.

Viele Clubs sind multinationale Unternehmen, selten kommen noch Spieler aus der Stadt, für die sie spielen. Warum identifizieren sich die Fans trotzdem noch mit diesen Clubs?

Das ist das große Rätsel des Fußballs. Ich denke viele Fußball-Clubs befördern eine Ideologie der moralischen Überlegenheit, nach dem Motto: „Wir und unsere Fans sind besser als die anderen.“ Die Fans beziehen daraus ihr Selbstwertgefühl, und dieser Zusammenhang ist sehr schwer zu erschüttern. Andererseits haben wir natürlich Clubs wie Chelsea, Real Madrid und Manchester United, die globale Marken geworden sind und Fans auf der ganzen Welt haben. Die eingefleischten, lokalen Fans haben indes Angst, dass ihnen etwas wichtiges verloren geht, und ich denke, dass diese Angst durchaus ist berechtigt ist. Es ist einfach traurig, wenn die Clubs ihre Identität verlieren. Dann haben wir gesichtslose Unternehmen wie in den amerikanischen Profiligen, die zwar perfekte Unterhaltung bieten, aber nicht mehr sehr viel Leidenschaft erzeugen.

Dann ist die Globalisierung schlecht für den Fußball?

Nein, unterm Strich ist sie eher gut für den Fußball. Die Qualität des Spiels ist überall besser, der Wettbewerb spannender geworden. Nächstes Jahr können zehn Mannschaften Weltmeister werden. Das ist doch auch eine Form der Demokratisierung.

In Ihrem Buch beschreiben Sie aber auch, wie die Globalisierung den hässlichen Nationalismus verstärkt.

Das Versprechen der Globalisierung ist ja, dass man die Stammesidentitäten hinter sich lässt. Ich denke aber, das überfordert die Menschen. Wenn man etwa die ewige Rivalität zwischen den Glasgow Rangers und Celtic sieht, wird klar, dass kein globaler Kapitalismus das jemals wird überwinden können. Im Gegenteil, es wird immer schlimmer.

Sie schreiben, dass der FC Barcelona für Sie ein positives Modell für die Globalisierung darstellt.

Ja, ich liebe den FC Barcelona. Er verkörpert das Versprechen eines liberalen Pluralismus. Man kann Barca leidenschaftlich lieben, ohne in hässlichen Nationalismus verfallen zu müssen. Barca öffnet sich explizit gegenüber Fremden, Barca verkehrt eben nicht den Stolz auf den Club in eine Ideologie der moralischen Überlegenheit. Barca erfüllt einen mit Hoffnung auf einen sanften Globalismus.

Hat die Globalisierung nicht eine Zweiklassengesellschaft im Fußball erzeugt – die großen Clubs, die global operieren und die Meisterschaften unter sich ausmachen, und der Rest?

Ich glaube nicht, dass Ungleichheit das große Problem im Fußball ist. Es gibt noch genügend Beispiele dafür, dass reiche Clubs scheitern. Chelsea hat sich eben nicht die Champions League erkaufen können, und Madrid ist ebenfalls vorzeitig ausgeschieden. Ich halte Korruption für das weitaus größere Problem.

Sie sprechen die dubiosen Firmen an, die offenbar willkürlich Spieler zwischen West- und Osteuropa und Südamerika verschieben.

Ja. Die Finanzstruktur vieler Fußballclubs ist gelinde gesagt undurchsichtig. Die merkwürdigen Zusammenhänge zwischen São Paolo, Chelsea und Moskau sind da nur die Spitze des Eisbergs. Ich glaube, da läuft viel mehr hinter den Kulissen, als wir ahnen. Wenn Fußballclubs zu Geldwaschanlagen der globalen organisierten Kriminalität verkommen, verlieren sie über kurz oder lang das Vertrauen der Fans. Das ist viel schlimmer, als wenn sie den unausweichlichen Weg hin zu globalen Unternehmen gehen. INTERVIEW: SEBASTIAN MOLL