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Archiv-Artikel

ROBIN ALEXANDER über SCHICKSAL Mit der Nase in der Matratze

Ein verantwortungsvoll gestalteter Abend endet in einer Katastrophe – beinah

Für Menschen, die schon sehr lange mit ihrem Partner zusammen sind, aber unbedingt einmal wieder alleine ausgehen möchten, habe ich eine gute Nachricht. Sie müssen ihren Liebsten oder ihre Liebste gar nicht verlassen! Solche drastischen Maßnahmen sind nicht erforderlich. Es reicht völlig, wenn sie gemeinsam ein Kind produzieren.

Damit gehen allerdings auch Nachteile einher: Ihr Partner geht dann auch wieder alleine aus. Und sie sitzen zu Hause. So wie ich. Aber ich habe wenigstens eine Mission:

– Geh alle halbe Stunde gucken, dass der Junge nicht auf dem Bauch liegt. Sonst wird seine Nase in die Matratze gedrückt und er kriegt keine Luft mehr.

– Sonst noch was?

– Mach den Fernseher nicht so laut, damit du ihn hörst. Und rauch nichts, was dich bedeppert, damit du einsatzfähig bleibst. Gestalte den Abend verantwortungsvoll!

– Wie?

– Na lies irgendetwas, ruf irgendjemanden an oder surf meinetwegen im Internet.

21 Uhr: Die Nase ist auf zwölf Uhr. Alles bestens. Ich sitze hungrig in der Küche. Warum das? Weil das Phänomen der männlichen Co-Schwangerschaft unterschätzt wird.

Liebe werdende Väter, rechnen Sie mit einer Gewichtszunahme von mindestens 10 Prozent. Die so genannten Rückbildungskurse sind seltsamerweise strikt für gewordene Mütter reserviert.

Hungrig und verantwortungsvoll ist genauso schaurig, wie es klingt. Unsere ungelesenen Bücher sind nicht umsonst ungelesen: dicke, teure Fehlkäufe. Im Internet surfe ich schon den halben Tag auf der Arbeit. Und wer von unseren Freunden um diese Zeit zu Hause ist, möchte dort garantiert nicht gestört werden. Ich gucke „Die Camper“ auf RTL ohne Ton.

22 Uhr. Nase auf neun Uhr. Kein Grund zur Besorgnis. Ich rede mir gut zu: Ist ja nur fair so. Gestern war ich es, der alleine weg durfte. Auf der Party eines englischsprachigen Stadtmagazins stand ich ein bisschen dumm rum: ohne Frau und ohne Bier. Auf der Bühne hat sich eine dänische Lesbe zu Elektropop aus einer Art Zwangsjacke gewunden. Sie merken schon: Avantgarde. Wer in Berlin nachts unterwegs ist, wird dauernd mit Avantgarde belästigt. Denn Berlin hat zwar keine Sperrstunde, aber dafür gibt es ein Gesetz, dass der Haupt-Act niemals vor drei Uhr nachts beginnen darf.

– „Komm Backstage“, sagte die Chefredakteuse des Magazins: „Wir haben da richtig schön was zu trinken – und ein leckeres Buffet.“ Da bin ich nach Hause gegangen.

23 Uhr: Nase auf halb acht. Liegt auf dem Bauch, kann aber noch locker atmen. Wenn hier einer Hilfe braucht, dann ich.

Ich rufe meine Freundin an:

– Gibt es ein Problem mit dem Jungen?

– Nein, alles klar. Mach dir keine Sorgen.

– Warum rufst du dann an?

– Mir ist langweilig.

Sie legt auf.

00.00 Uhr: Nase auf sieben. Langsam wird es kritisch. Aber warum soll er nicht auf dem Bauch schlafen, wenn er will? Habe ich als Kind gern auf dem Bauch geschlafen? Nachdem meine Schwester mich von einem niedrigen Tisch stieß und mir so das Schlüsselbein brach, durfte ich sogar zwei Monate nur auf dem Bauch schlafen. Hat mir das geschadet? Meine Mutter meint: Ja.

0.30 Uhr: Nase habe ich noch nicht geguckt. Wenn man den ganzen Tag nichts gegessen hat und sonst nicht raucht, kann einen schon eine ganz normale Marlboro ein bisschen schweben machen. Oder zwei. Kamillentee ist auch besser als sein Ruf. Im Internet habe ich ein paar interessante Seiten gefunden, die man sich besser nicht auf der Arbeit anschauen sollte.

Und dann lag da noch das neue Buch von Maxim Biller auf dem Schreibtisch: Darin sind sehr kurze Geschichten und der Verlag hat es umsonst in die Redaktion geschickt. Geht doch, so ein verantwortungsbewusst gestalteter Abend.

0.35 Uhr: Ich hatte vergessen, nach der Nase zu gucken, und renne ins Schlafzimmer. Schreck: Nase auf sechs Uhr! Voll in der Matratze. Vorsichtig, ja behutsam, drehe ich den kleinen Schläfer. Er wacht auf und schreit. Vielleicht hat er wirklich keine Luft gekriegt. Oder er hat an meinen Händen die Marlboro gerochen. Aber wahrscheinlich hatte er einfach nur Hunger.

Co-Schwanger? kolumne@taz.de Montag: Stefan Kuzmany GONZO