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Archiv-Artikel

Bedenkliches Arbeitsrecht-Konstrukt

LEIHARBEIT Privater Fluggastkontrolleur erwägt Verfassungsklage gegen Einsatz bei der Bundespolizei

Die Übertragung hoheitsrechtlicher Aufgaben an Private könnte verfassungswidrig sein

Das Bundesverfassungsgericht muss sich womöglich bald mit dem Einsatz von 700 Leiharbeitnehmern bei der Fluggastkontrolle der Bundespolizei auf den Airports Hamburg und Bremen befassen. Das stellt der Hamburger Rechtsanwalt Holger Thieß in Aussicht, nachdem ihm die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Rechtsstreit eines Leiharbeiters der Firma „Flug und Industrieservice“ (FIS) vorliegt. Der Mann hatte auf Festanstellung bei der Bundespolizei geklagt.

In ihrem Urteil gehen die Bundesarbeitsrichter zwar davon aus, dass die FIS-Mitarbeiter, die in der Gepäck- und Fahrgastkontrolle arbeiten und direkten Weisungen der Bundespolizei mit ihren hoheitsrechtlichen Aufgaben unterstellt sind, arbeitsrechtlich formell als Dienstleister fungieren. Das BAG wirft jedoch folgende Frage auf: Ist dieses arbeitsrechtliche Konstrukt der Übertragung von hoheitsrechtlichen Aufgaben zur Gefahrenabwehr an Private nach dem Luftsicherheitsgesetz nicht verfassungswidrig? Sollte die bisherige Übertragung von öffentlichen Aufgaben verfassungswidrig sein, so Thieß, so wäre die Bundespolizei wohl gezwungen, eigenes Personal einzustellen oder das FIS-Personal zu besseren Konditionen zu übernehmen.

In Zweifel stellt Thieß zudem, ob die Interpretation des BAG zum Rechtsbegriff „Arbeitnehmerüberlassung“ mit der neuen EU-Richtlinie zur Leiharbeit, die am 1. Dezember 2011 in Kraft getreten ist, in Einklang zu bringen ist. „Der deutsche Gesetzgeber hat versäumt, diese EU-Richtlinie umzusetzen“, sagt Thieß. Die EU-Richtlinie sieht den Begriff „Leiharbeit“ schon dann als gegeben an, wenn ein Arbeitnehmer „unter Aufsicht und Leitung“ eines anderen Unternehmens – in diesem Fall der Bundespolizei – tätig werde. Hingegen setzt das BAG voraus, dass die FIS-Kontrolleure bei der Bundespolizei in Arbeitsabläufe voll integriert sein müssten, wenn sie einen Rechtsanspruch auf Übernahme erwerben wollten.

Ein neuer Musterprozess könnte auch darauf gerichtet sein, so Thieß, gegen die Firma FIS zu klagen, damit FIS europäisches Recht nach dem Grundsatz „Gleiches Geld – für gleiche Arbeit“ anwendet.  KAI VON APPEN