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Archiv-Artikel

Curryflusskrebse am Rafter’s Rest

FlOSSFAHRT Eine Tour auf dem Rio Grande, wo einst Bananen aufs Meer verschifft wurden

Die Floßtour

■ Rafter’s Rest: an der Küstenstraße 5 Kilometer westlich von Port Antonio, Einfahrt kurz vor der Brücke scharf rechts hinter einem Felsen. Preis/Floß 72 US-Dollar (2 Personen). Ein Taxi von Rafter’s Rest ins 18 Kilometer entfernte Barrydale, dem Ausgangspunkt der Tour, kostet nicht mal 1 Euro. Täglich 9–16 Uhr, Dauer ca. 2 bis 3 Stunden, Tel. 9 93 57 78, 5 64 12 94

■ Essen: Vorbestellung bei Betty Damn +18 76-3 89-88 26.

■ Übernachtung: Mockingbird Hill, +1 87 69 93-71 34, www.hotelmockingbirdhill.com

VON HANS-ULRICH DILLMANN

Ein kurzes, aufgeregtes Sprudeln, ein leichtes Geplätscher. Bambusstäbe reiben sich knarzend. Eine Krähe krächzt aufgeregt am Ufer. Dann ist wieder Ruhe. Unendliche Ruhe. Vorn am Bug des Bambusfloßes stakt Basil Bantin mit seinem dürren Bambusstock richtungsgebend durch den Rio Grande, der längste Fluss auf der Karibikinsel Jamaika. Das Raft nimmt Fahrt auf, nur wenige Meter nach der Ablegestelle in Barrydale.

„Geht es zu schnell?“, fragt der 76 Jahre alte „Captain“ mit der Registriernummer 101 auf seinem T-Shirt. „Mach dir keine Sorgen. Ich mache das schon seit 40 Jahre“, ruft er in die Stille. Schnell ist die Strömung des Rio Grande, der sich nur wenige Kilometer von der kleinen Hafenstadt Port Antonio ins Karibische Meer ergießt, wirklich nicht. Abhängen auf einer rustikal mit Draht zusammengerödelten Bambusbank, die auf das Floß montiert ist. Das besteht aus gerade mal zehn Oberarm dicken Stangen, die mit Draht verbunden sind. „35 feet long“, klärt Basil über die Länge des 12 Meter langen Transportmittels auf – und gerade mal 1,5 Meter breit. Früher wurde mit diesen Bananen von den Plantagen rund um Port Antonio über den Fluss an die Küste transportiert, um von dort in alle Welt verschickt zu werden. Reste der Umladestation finden sich noch in Rafter’s Rest, aber längst haben andere Länder die Reggaeinsel als wichtigen Bananenexport abgelöst.

Hätte nicht der als Piratendarsteller und Liebhaber schöner Schauspielerinnen in der Erinnerung gebliebene Errol Flynn in Port Antonio seinen Ferienwohnsitz gehabt und nicht nach einem besonderen Vergnügen während seines Urlaubs gesucht, die ungewöhnliche Bootstour befände sich heute nicht im touristischen Standardangebot Jamaikas.

Keine 200 Meter ist Basil gekommen, da nähert sich Rastamann Pete mit seiner „schwimmenden Bar“ und einer Eisbox, die gut gekühltes „Red Stripe“-Bier enthält. Eine ruhige Tour nimmt ihren Lauf. Nur wenige kleine Häuser sieht man vom Wasser aus. Frauen waschen im Fluss die Wäsche, ein Mann seift sich ein, um dann in die Fluten zu tauchen und sich den Schaum abzuwaschen Viele kleine Rafts liegen am Ufer. „Fast jeder Bauer hat sein eigenes“, erzählt Basil. „Die meisten bauen es selbst, aber es gibt auch richtige Raftbauer, die Floße auf Bestellung fertigen. Die Arbeit als Rafter ist ein beliebtes Zusatzeinkommen für die Bauern am Ufer des „Großen Flusses“.

Über 8 Kilometer läuft die Mittdreißigerin jeden Tag zu Fuß von ihrem Haus zu ihrer „Uferkantine“

Basil steuert die erste Schnelle an. Die zahlreichen Flusssteine lassen das Wasser wie in einem Whirlpool sprudeln. „Keine Angst“, ruft Basil. „Tiefer als 7 Meter ist hier keine Stelle“, versichert der Rafter, bevor er zum angenehm kühl temperierten Bad winkt. Mehrere Flussbiegungen und weitere aus dem Wasseroberfläche herausragende Baumstämme später bremst Basil das Bambusfloß ab. Mit einem „Platsch“ beginnt der zweite Badestopp in einem natürlichen Badebecken. Charlies Corner ist von riesigen Basaltsteinen gesäumt und absolut ruhig. Knapp eineinhalb Stunden sind vergangen, als der „Liebestunnel“ auftaucht. „Den hat Errol Flynn so benannt“, erzählt Basil, während er das Bambusfloß durch die enge Felslücke steuert. „Eine Straße für Verliebte“, sagt er augenzwinkernd. Vor dem Raft breitet sich eine steinige Freifläche, die der Fluss elegant umfließt. Direkt in der Linkskurve steht Betty Damn, die Hände in die Hüfte gestemmt, mit einladendem Lächeln: „Willkommen in Belindas River Side Canteen“, ruft sie zum Floss hinüber, das Basil schon abgebremst hat. Unter einem provisorischen Stand hat Betty ihre Küche aufgebaut, die sie von ihrer Mutter Belinda geerbt hat.

Betty hat frisch gekocht. Curryflusskrebse köcheln in Kokosmilchsud über der Holzfeuerstelle, daneben werden Reis und Bohnen warm gehalten. Über 8 Kilometer läuft die Mittdreißigerin jeden Tag zu Fuß von ihrem Haus zu ihrer „Uferkantine“ mit den Lebensmitteln, um frisch für die Touristen zu kochen. Finger werden klebrig, wenn die Schalen und Krebsbeine abgelutscht werden.

Der Flusslauf verjüngt sich, die Fließgeschwindigkeit nimmt zu und das Raft steuert auf eine Steinhürde zu, die der Kapitän mit Eleganz umkurvt. Es geht rumpelig zu, Gischt spritzt über die Hose, und man dankt Basil, dass er einem ein Kissen unter den Hintern geschoben hat, damit man es bequemer hat.