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Archiv-Artikel

„Frankreich blockiert Debatte“

NATO II Der US-Sicherheitsberater Edmond Seay über die noch in Europa stationierten US-Atomwaffen, die Schwierigkeiten der Nato, sich zu einigen, und die Möglichkeiten, die Bomben dennoch loszuwerden

Edmond Seay

■ Der US-Amerikaner ist Experte für Rüstungspolitik und Nichtverbreitung von Atomwaffen. Er arbeitet in London als Berater und für verschiedene Fachzeitschriften.

INTERVIEW DOROTHEA HAHN

taz: In fünf europäischen Nato-Ländern sind rund 180 taktische Atomwaffen der USA stationiert. Warum?

Edmond Seay: Sie sind ein Überbleibsel des Kalten Krieges. Ihre Präsenz in Europa hat mehr mit Schwerfälligkeit als mit militärischem Nutzen zu tun. Die Nato ist durch ihr Wachsen eine enorm konservative Institution geworden. Es war schon schwer, einen Konsens zu finden, als sie acht, zwölf und sechzehn Mitglieder hatte. Aber jetzt müssten sich alle 28 Alliierten einigen.

Die Länder, auf deren Territorium die Waffen stationiert sind, wollen sie loswerden.

Das zeigen Meinungsumfragen aus allen fünf Ländern, wo sie stationiert sind. Deutschland hat das aktenkundig gemacht. Es sieht so aus, als ob die Niederlande demnächst folgen könnten.

In der Nato heißt es, die taktischen Atomwaffen seien antiquiert und militärisch überholt. Stimmt das?

Gegenwärtig sind das Bomben, die von relativ kleinen Kampfflugzeugen zum Ziel getragen und abgeworfen werden. Aber niemand glaubt ernsthaft, dass es militärisch ein guter Weg wäre, eine Atombombe mit einem Tornado oder einem F 16 zu befördern.

Sie haben von einer neuen Eskalation bei diesen taktischen Atomwaffen gesprochen. Worin besteht die?

Die USA wollen diese Bomben sicherer und schwerer erkennbar machen und gleichzeitig eine Präzisionsführung installieren. Außerdem sollen die alten Tornados und F 16 in den nächsten Jahren ersetzt werden. Als einziges Ersatzflugzeug ist dafür der Tarnkappenbomber F 35 im Gespräch. Er hat eine Chance, unentdeckt durch eine feindliche Luftverteidigung zu fliegen.

Soll die Modernisierung den Abzug der taktischen Atomwaffen aus Europa verhindern?

Mit der Modernisierung verändert sich die Situation insofern, als es möglich wird, den militärischen Einsatz dieser Waffen zumindest zu erwägen. Aber politisch bleiben sie eine schlechte Idee. Es gibt so viele andere Möglichkeiten, mit einer Krise umzugehen, als eine Atombombe in ein Nato-Flugzeug zu laden und zu einem Ziel zu fliegen.

Ist vom Nato-Gipfel in Chicago irgendeine Veränderung in Sachen taktische Atomwaffen zu erwarten?

Nein. Es gibt bloß die Möglichkeit, dass die Allianz die Politik im Umgang mit diesen Waffen etwas transparenter macht. Aber sämtliche Gelegenheiten, die Zahl der Waffen oder die Zahl der Länder, wo sie stationiert sind, zu reduzieren, sind verpasst. Da ist erst ein Ereignis nötig, um eine Veränderung zu erzwingen.

Könnte die Ankunft des neuen französischen Präsidenten ein solches Ereignis sein?

Danach sieht es nicht aus. Die Nato-Atomwaffen haben zwar direkt nichts mit der unabhängigen französischen Atomstreitmacht Force de Frappe zu tun. Sie sitzen nicht einmal in den Nato-Gremien, in denen die USA und die fünf Stationierungsländer entscheiden. Aber das hindert Frankreich nicht daran, jede Nato-Debatte über eine Reduzierung der taktischen Atomwaffen der USA in Europa zu verhindern.

Warum blockiert Frankreich?

Sie befürchten, dass es ein getarnter Versuch ist, auch sie zu einer Reduzierung oder Abschaffung ihrer Atomwaffen zu bringen.

Gibt es bilaterale Möglichkeiten, die Atombomben loszuwerden?

Ja. Natürlich. Die Bombenstationierung basiert auf bilateralen Abmachungen zwischen den USA und den fünf europäischen Alliierten. Wenn die deutsche Regierung diese Waffen nicht länger beherbergen will, muss sie eine diplomatische Erklärung an die US-Regierung schicken. Die US-Regierung hat zwar erklärt, dass sie diese Waffen nur abziehen wird, wenn Konsens in der Nato herrscht. Aber gegenüber einer solchen Entscheidung in Berlin wäre sie machtlos.

Das ganze Interview auf taz.de