: Das Bürschchen spielt auf
Beim 3:0-Sieg von Weltmeister Brasilien über Zufalls-Europameister Griechenland führt der Robinho genannte Robson de Souza vor, welch außergewöhnlicher Fußballer er ist. Wahrscheinlich wird man das in Europa bald öfter zu sehen bekommen
AUS LEIPZIG MARKUS VÖLKER
Im neuen Zentralstadion werden nicht nur Fußballfans und Journalisten gesessen haben. Auch ein paar Headhunter hatten sich wohl für 90 Minuten in der Arena eingemietet. Es ist unschwer zu erraten, wen sie im Visier hatten. Ihre Blicke dürften sich an die brasilianische Nummer 7 wie Kletten an Flausch geheftet haben. Im Trikot mit dieser Ziffer steckt ein schmächtiger Stürmer, ein Dribbler reinsten Wassers, ein kommender Mann. Dieses Leibchen trägt Robson de Souza, der unter dem Namen Robinho seinen Beruf ausübt. De Souza löst bei Spähern Jagdfieber aus.
Noch ist ihm Europa ein ferner Kontinent. Noch hat Robinho den Offerten europäischer Großklubs widerstanden. Aber nicht nur der Klubpräsident des FC Santos, Marcelo Teixeira, fragt sich, wie lange der 21-Jährige in Brasilien verweilen wird. Angebote soll es von Atlético Madrid gegeben haben, vom PSV Eindhoven, Benfica Lissabon und dem FC Chelsea. Das ernsthafteste kam von Real Madrid. Auch der FC Barcelona soll Robinhos Berater, Wagner Ribeiro, kontaktiert haben. Doch Robinho steht bei Santos unter Vertrag, und Pelé, der 17 Jahre für diesen Klub spielte, redet ihm gut zu, er möge dem Verein treu bleiben.
Dass es sich in Robinho, der in Brasilien als legitimer Erbe Pelés gilt, um einen außergewöhnlichen Fußballer handelt, erschloss sich im Spiel der Selecao gegen Europameister Griechenland ziemlich schnell. Zwar brauchte Robinho ein paar Minuten, um ins Spiel zu kommen und die Pässe richtig zu timen, mit zunehmender Spielzeit präsentierte er sich jedoch als kongenialer Sturmpartner Adrianos. Beide Angreifer machten das Fehlen Ronaldos mehr als wett. Während Adriano eher das Spiel Ronaldos pflegt, sich also nur dann bewegt, wenn die Situation es gebietet und der zählbare Erfolg lockt, läuft Robinho unermüdlich, ist fast überall zu finden, rackert sich ab und wirkt dabei auch in der 90. Minute noch so frisch, als sei er gerade erst aufgelaufen.
Brasiliens Sturm, der Brecher und das Bürschchen, mischten die überforderten Griechen nach allen Regeln der Fußballkunst auf. Beiden Seidenfüßen war es egal, dass sie von „Europas Besten“ in Manndeckung genommen wurden. Otto Rehhagel, der sich der Fußballmoderne beharrlich verweigert, hatte Iannis Goumas auf Robinho angesetzt und Sotirios Kyrgiakos auf den Angreifer des AC Milan. Gemeinsam mit Angelos Basinas, der die Rolle eines verkappten Liberos besetzte, bildeten die griechischen Abwehrspieler eine hellenische Dreierkette aus dem Antiquariat des Fußballs. Vergeblich. Denn der eine, Robinho, lief seinen Gegenspieler müde oder schlich sich wie bei seinem Tor kurz nach der Halbzeit davon. Und dem anderen, Adriano, reichte ein kurzer Seitwärtsstep plus fulminantem Schuss, um die Führung zu erzielen. Otto Rehhagel, Coach der Griechen, konnte nach dem 0:3 nur die krasse Unterlegenheit konstatieren: „Sie waren eindeutig die bessere Mannschaft.“
Auswahltrainer Carlos Alberto Parreira lobte seinen Jungnationalspieler, was hätte er auch sonst tun sollen. Robinho sei einer von fünf Stürmern, die in die engere Wahl kämen für die WM 2006. Aber er sagte auch: „Robinho hat noch einen langen Weg zu gehen, er ist noch jung.“ Adriano ist übrigens kaum älter, nur ein Jahr. Dem Duo sollte die Zukunft gehören, wenn nicht noch ein Verteidiger seine Drohung wahr macht und Robinho ein Bein bricht, weil er sich von dessen Trickserei genarrt fühlt; bisher ist es glücklicherweise bei Verbalattacken geblieben.
Bereits Legende ist in Brasilien eine Szene aus dem Jahr 2002, als Robinho im Finale der Meisterschaft siebenmal den Übersteiger machte, der Verteidiger daraufhin die Nerven verlor und sich zu einem Foul im Strafraum hinreißen ließ. Robinho verwandelte den Elfmeter. Im Vergleich zu damals ist Robinho weniger verspielt, agiert zielgerichteter. Er hat einen Lernprozess durchlebt, zu dem auch Rück- und Schicksalschläge gehörten. Sportlich schmerzte ihn die verpasste Qualifikation der U23-Auswahl für das olympische Turnier und die Vorwürfe, er und Diego hätten selbstverliebt die Chance verspielt. Familiär durchlebte der Kicker eine Tragödie, als seine Mutter im Herbst vergangenen Jahres gekidnappt wurde und erst kurz vor Weihnachten frei kam.
Bis zur WM wird Robinho wohl in Brasilien bleiben, zumal er sich als Stürmer „europäisieren“ müsse, wie Skeptiker eines Wechsels anführen. Er müsse stämmiger werden, physischer und nicht nur seine Requisite, den Ball, sondern auch das Toreschießen lieben. Pelé hat jedenfalls jetzt schon einen Narren an Robinho gefressen. „Er kann besser werden als ich“, sagt er. Irgendwann wird er das auch in Europa unter Beweis stellen.