: Vaganten
Museum in Compiano
Compiano ist ein Dorf in den Apenninen, unweit der ligurischen Küste im Val Taro gelegen, das man unmöglich findet, wenn man nicht ausdrücklich danach sucht. Es ist einer der unspektakulären Landstriche Italiens. Seit dem 17. Jahrhundert reisten die Männer des Dorfes als Vaganten mit Tanzbären, dressierten Affen und Kamelen quer durch Europa, bis in die Türkei und sogar nach Amerika. Zu Fuß waren sie unterwegs, und oft vergingen mehrere Jahre, bis sie, wenn überhaupt, ihre Heimat wiedersahen. Nur wenige kehrten als reiche Männer zurück, kauften ein Stück Land und wurden achtbar; die meisten Lebenslinien verlieren sich im Dunkel der Zeiten und Länder. Rätselhaft ist, wie aus bodenständigen und wortkargen Bergbauern ausgerechnet Illusionskünstler werden konnten. Fakt ist: Das Vagantenleben im Val Taro wurde im Laufe der Zeit zu einer Tradition, die sich bis in die Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts erhielt.
Dass die Geschichte der so genannten orsanti überliefert ist, verdankt sich dem leidenschaftlichen Einsatz der Malerin Maria Teresa Alpi, deren Vorfahren aus Compiano stammen. Vor drei Jahren entschloss sie sich, ihre private Sammlung alter Dokumente, Fotografien und Gegenstände zu einem Museum zu machen, das heute in einer ehemaligen Kirche im Zentrum des Orts untergebracht ist. Von offizieller Seite, sagt sie, habe sie keine Unterstützung für ihr Anliegen erfahren – offenbar schämten sich die Einheimischen für den Broterwerb ihrer Vorfahren.
So bizarr wie die Geschichte des fahrenden Volkes von Compiano ist auch das Museum: Da sind die lebensgroßen Pappmachéfiguren, die sie selbst gefertigt hat und die das Leben der orsanti darstellen. Trommeln und Ziehharmonikas, Schellenkappen und bunte Kostüme: Skurrilitäten, die einst auf öffentlichen Plätzen das einfache Volk gaffen und für eine kleine Weile ihren tristen Alltag vergessen ließen. STEPHANIE GOLISCH
Museo gli orsanti, Via Costa 3, 43053 Compiano (Parma), Italien, Tel. : (0 52 59) 82 55 13 oder (0 18 59) 28 46 12, Öffnungszeiten: Juni bis September 15 bis 19 Uhr; im August auch 21 bis 24 Uhr, sowie nach Vereinbarung